Mit tollen Büros locken und binden Unternehmen während und nach der Corona-Krise langfristig talentierten Nachwuchs. Doch wie lässt sich eine Arbeitsatmosphäre erzeugen, in der besonders junge Menschen gerne arbeiten? Einrichtungsexpertin Thi Tra-Mi Nguyen erläutert effiziente Ansätze.
von Anna Baldig & Thi Tra-Mi Nguyen
Büroarbeit ist ein maßgeblicher Wirtschaftsfaktor in Deutschland. 71 Prozent aller Beschäftigten arbeiten zumindest zeitweise an einem Büroarbeitsplatz. Das sind fast 32 Millionen Menschen, die von ihrem zukünftigen Arbeitsplatz überzeugt werden möchten.
Die im Jahr 2018 durchgeführte Studie "Attraktive Arbeitgeber" offenbart, was diese Mitarbeiter wollen. Harte Fakten wie Aufstiegschancen, Weiterbildung und Bezahlung beeinflussen die Wahl des Arbeitgebers. Aber auch sogenannte weiche Faktoren wie die Abwechslung im Job, die Work-Life-Balance oder die versprochenen Benefits mischen bei der Entscheidung mit.
Was Mitarbeiter wollen
Auf Platz eins ermittelten die Verantwortlichen aber ein anderes Motiv: die Arbeitsatmosphäre. Für mehr als 80 Prozent der Befragten ist die Atmosphäre mitentscheidend, wenn es um die Jobwahl geht. Damit ist sie unangefochtener Sieger der Studie – und das nicht zum ersten Mal.
Aber was genau bedeutet dieses Ergebnis für Arbeitgeber und Büroplaner? Worauf müssen sie achten, um eine positive Arbeitsatmosphäre zu erzeugen? Eines ist klar: Eine produktive Umgebung ist Grundbedingung für ein effizientes Büro.
Der Anspruch an das visuelle Erscheinungsbild der Arbeitswelten scheint in der Altersklasse der Unter-30-Jährigen zu steigen. Nur 53 Prozent der jüngeren Büromitarbeiter sind laut neuesten Studien mit der optischen Gestaltung ihrer Büros zufrieden. Doch was braucht und will das Jungvolk? Hippe Sessel, Kaffee-Lounges oder kleine Nischen mit Stehtischen? Wer effizient mit seinen Human Resources umgehen und Mitarbeiter halten möchte, muss aus- und unausgesprochene Mitarbeiterbedürfnisse stillen.
Die Einrichtungsexpertin Thi Tra-Mi Nguyen setzt genau dort an. Mit ihrem Unternehmen RAUMLEVEL kombiniert sie modernes Interior Design mit Elementen aus Feng Shui. Ihr Ziel: Verstehen, was jüngere und ältere Arbeitnehmer wollen und mit diesem Wissen ansprechende und damit effiziente Arbeitswelten gestalten. Wir haben vier wichtige Einschätzungen protokolliert.
1. Das Büro kommuniziert die Arbeitgebermarke
Die heutige Generation lebt digital, konsumiert spontaner und richtet sich anders ein als ältere Jahrgänge. Junge Menschen denken nachhaltig, weil sie mit den Folgen des Klimawandels direkt konfrontiert sind. Waren früher die klassischen Konsumentenerwartungen an Marken Vertrauen und Bequemlichkeit, sind es heute Innovation, Coolness und Nachhaltigkeit. Dieses Denken überträgt sich auf den Job, den Arbeitsplatz und die Arbeitgebermarke.
Millennials suchen nach Arbeitsplätzen, die Komfort und Ästhetik mit moderner Technologie verknüpfen. Um diese Wünsche zu erfüllen, müssen Unternehmer eine Reihe von Elementen berücksichtigen: die Einrichtung, Bequemlichkeit, Beleuchtung, sogar Farbschemata. Immer mehr Unternehmen integrieren Teile ihres Brandings (Logos und Farben) in ihr Bürodesign. Die Arbeitgebermarke wird so über den Arbeitsbereich kommuniziert. Gleichzeitig hinterlässt das einen bleibenden Eindruck bei den Kunden und aktuellen wie zukünftigen Mitarbeitern.
2. Die Bedeutung des Lifestyle-Aspekts
Das Miteinander wird immer wichtiger. Das gilt für die Generation Z, die Millennials und auch für die Generation X. Die Nachfrage nach Gemeinschaftsbereichen und sogenannten Hubs wächst. Idealerweise soll ein Wohnzimmerflair entstehen. In der Küche wollen alle an einer großen Tafel sitzen können. Alles soll sich wie eine WG anfühlen. Die neue Generation bemisst dem Lifestyle-Aspekt eine sehr große Bedeutung zu, sodass die meisten Start-ups diesen in ihr Raumkonzept einbeziehen.
Das biophile Design gewinnt ebenso zusehends an Beliebtheit. Dabei setzen Architekten und Unternehmen verstärkt auf eine natürliche Beleuchtung und Belüftung. Und sie integrieren Landschaftsmerkmale und andere Elemente aus der Umwelt in die Gestaltung. Sie versuchen, mit der Architektur eine engere Beziehung zwischen den Raumnutzern und der Natur aufzubauen. Das ist ganz im Sinne von Feng Shui.
Die älteren Generationen sind nicht so anspruchsvoll hinsichtlich des Raumdesigns. Bei ihnen gilt "function than fashion" – die Funktion überlagert das optische Erscheinungsbild. Für sie sind ergonomische Aspekte viel wichtiger als ein stylishes Design, das Vorhandensein von Ruheräumen oder Tischkickern.
3. Arbeitnehmer-Wünsche in der Realität
Bei meinen Einrichtungskonzepten berücksichtige ich alle "raumgestaltungsrelevanten" Aspekte, die in den neuesten Studien auftauchen. Raumführung, Licht, Möbelproportionen, das Zusammenspiel der Farben, Formen und Materialien sind entscheidende Stichworte. Je nach Funktion eines Raumes kommen weitere spezifische Aspekte hinzu – oder können vernachlässigt werden.
Drei Bereiche sind jedoch so bedeutend, dass Unternehmen nie an ihnen sparen sollten:
Die Akustik ist ein Schlüssel zur Mitarbeitergesundheit. Die lärmabsorbierende Wirkung der Elemente verhindert Unruhe und reduziert so den Stress bei den Mitarbeitern. Hochwertige Akustikelemente verbinden Ästhetik mit der notwendigen Funktionalität. Ich arbeite gern mit mobilen, begrünten Raumtrennern. Diese sind ideal für das Raumklima (Luftbefeuchtung), die Akustik und die Geräuschkulisse. Und sie sehen sehr schön aus. Auch den biophilen Aspekt greife ich damit wieder auf – ein Trend übrigens, den ich in den vergangenen Jahren überall bemerken konnte.
Ergonomische Möbel empfehle ich immer dann, wenn Mitarbeiter länger an einem Schreibtisch sitzen. Ein Außendienstler, der zum Beispiel vorwiegend bei Kunden ist, oder jemand, der hauptsächlich an Besprechungen teilnimmt, benötigt diese weniger. Höhenverstellbare Schreibtische und Stühle mit abnehmbaren Rückenlehnen können eine gute Option für mehr Ergonomie sein. Sie bieten Komfort und eine moderne Note. Mit längeren Arbeitszeiten und steigendem Stress wird besagte Ergonomie zu einem essentiellen Aspekt bei der Arbeitsplatzgestaltung.
Die ausreichende Beleuchtung von Arbeitsplätzen ist ebenfalls enorm wichtig. Sie hat wesentlichen Einfluss auf die Atmosphäre, ein – laut Studien – besonders starker Anreiz für eine höhere Arbeitsleistung. Hierfür beziehe ich immer meinen Lichttechniker mit ein. In Summe sind alle Aspekte relevant – es zählt aber, wir wie sie letztendlich gewichten.
4. Feng Shui: Ein Trend mit Zukunft?
Feng Shui ist allgegenwärtig. Die fernöstliche Lehre begegnet uns im Einkaufszentrum oder in der Natur. Das Konzept schreckt viele Menschen ab, denn die meisten assoziieren Mystisches damit. Setzt man sich näher mit diesem alten chinesischen Ansatz auseinander, stellen wir fest, dass Feng Shui lediglich unserer Intuition einen Namen verleiht.
Eine beispielhafte Frage für Feng Shui im Büro lautet: Arbeitet es sich besser mit dem Rücken zur Tür oder mit dem Blick dorthin?
Ziel der Feng-Shui-Lehre ist es, Menschen in Einklang mit ihrem Umfeld zu bringen. Das Gleichgewicht unserer Sinne hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verschoben. Fernsehen und soziale Medien prägen uns auf visueller Ebene. Das optisch Schöne wird zunehmend von uns idealisiert. Wie wir etwas erleben, findet auf einer anderen Ebene statt. Deshalb müssen wir Räume mehrdimensional betrachten. Meine Aufgabe als Feng-Shui-Beraterin ist es, dass meine Kunden die Raumressourcen maximal effektiv und positiv nutzen können. Dabei handelt es sich nicht um Magie oder etwas Ähnliches, sondern um das Anwenden von altem Naturwissen, das sich über Jahrtausende bewähren konnte.
Meist kommen Kunden zu mir, die ihren Unternehmenserfolg ankurbeln oder das Betriebsklima verbessern wollen. Oder sie möchten ihren Mitarbeiter etwas Gutes tun, damit sie sich an ihrem Arbeitsplatz "wohlfühlen". Feng Shui ist auf alle Geschäftsfelder übertragbar und funktioniert wie ein Natur-Code. Es geht um die Aktivierung, Erhaltung sowie Einhaltung von natürlichen Prozessen sowie die Organisation zwischen Mensch, Funktion, Raum und Landschaft. Dieses Bestreben drückt sich in den fünf Elementen und ihrer Anordnung aus. Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser sind in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.
Die Feng-Shui-Methode anzuwenden, bedeutet nicht, dass wir auf andere bevorzugte Einrichtungsstile verzichten müssen. Unabhängig davon, ob klassisch gestaltete oder moderne, loftartige Büroräume – Feng Shui harmoniert hervorragend mit unterschiedlichsten Stilen und verschiedensten Gebäuden.
"What you see is what you get" – auch wenn es so simpel meist nicht funktioniert: Steht man vor einem tristen Bild, überträgt sich die traurige Stimmung unbewusst auf den Betrachter. Hängt dort hingegen ein motivierendes Motiv, spornt es an. Bereits Sir Winston Churchill sagte: "Zuerst prägt der Mensch den Raum, dann prägt der Raum den Menschen."
Übertragen auf Geschäftsräume heißt das: Wenn sich Mitarbeiter wohlfühlen, sind sie bereit, mehr zu leisten. Und sie arbeiteten maximal effizient.