Der deutsche Architekt Marc Bernstein gewann mit seinen Arbeiten bereits zahlreiche Nachhaltigkeitspreise in Australien. Sein Geheimnis? Die richtige Balance aus Minimalismus, Natur und Wärme. Und Auge für die Details. Ein Gespräch.
von Hannes Hilbrecht
inperspective: Marc, du bist mit den "Melbourne Design Studios" in Australien sehr erfolgreich, hast bereits zahlreiche Awards gewonnen. Lass uns aber nicht bei den Höhepunkten, sondern ganz am Anfang deiner Laufbahn beginnen. Warum bist du Architekt geworden?
Marc Bernstein: Ich hatte schon immer sehr vielfältige Interessen. Und in meinem Germanistik- und Anglistik-Studium bemerkte ich schnell, dass ich lieber etwas ‘Handfestes’ machen möchte. Architektur ist für mich eine tolle Sache, noch immer ein Traumjob. Weil kein Tag wie der andere ist.
inperspective: Heißt konkret?
Marc: Architektur schlägt eine Brücke von der Kunst über die Wissenschaften und Mathematik bis hin zur Baustelle. Da entstehen viele spannende Schnittstellen. Ich treffe auf sehr unterschiedliche Menschen, auf die ich mich einstellen muss. Das wird nie langweilig! Und nebenbei kann ich daran arbeiten, unsere Umgebung und die Welt jeden Tag ein ganz kleines bisschen besser zu machen. Für mich kann es nichts Besseres geben.
inperspective: In unserer aktuellen Edition geht es um Best Practices, die uns inspirieren, die Vorbildcharakter besitzen. Wie und wo findest du Inspiration?
Marc: Oft sind es ganz einfache, alltägliche Dinge. Es kommt nur darauf an, diese in der Natur oder in einer anderen Umgebung überhaupt wahrzunehmen. Genau das wird zusehends schwieriger, da ich, wie die meisten in unserer mittlerweile endlos vernetzten Welt, immer seltener Gelegenheit habe, den Kopf von unseren technischen Geräten zu lösen. Aber nur wenn uns das gelingt, können wir wirklich Inspirationen wahrnehmen. Von daher habe ich die besten Einfälle, wenn die Gedanken beim Spazierengehen ganz unerwartet schweifen. Das passiert oft auf der täglichen Fahrradfahrt zum Büro. Oder in der Dusche. Generell: Wann immer der Kopf frei ist und die Augen nicht an einem Display hängen!
inperspective: Viele Architekten und Designer arbeiten mit einer eigenen Handschrift. Was sind die Grundprinzipien deines Schaffens?
Marc: Nachhaltigkeit und naturgerechtes Bauen, verbunden mit moderner Architektur – das sind die beiden Säulen, auf denen meine Arbeit aufbaut. Für mich ist es unheimlich wichtig, dass ich zumindest versuche, bei jedem Projekt ein kleines bisschen über das Geforderte hinauszugehen. Die Kunden sollen ein etwas besseres und umweltbewussteres Gebäude bekommen, als sie eigentlich wollten.
inperspective: Architekten stehen häufig vor dem Problem, dass das Schöne nicht immer mit dem Praktischen harmoniert. Wie lässt sich das Nachhaltige mit einprägsamen Designs verzahnen?
Marc: Ich bin ein großer Fan von moderner, minimalistischer Architektur. Aber gleichzeitig ist es wichtig, "Wärme" und "Willkommenheit" einzubauen. Meine Projekte müssen die Balance und den Dialog zwischen klaren, kalten und warmen Materialien finden. Ich möchte Minimalismus und Natürlichkeit miteinander verschmelzen.
inperspective: Was ist für dich bei der Gestaltung von Büros am wichtigsten?
Marc: Dass der Nutzer im Mittelpunkt steht! Die Überlegungen drehen sich vor allem darum, in was für einer Atmosphäre wir uns wohlfühlen. Wenn es mir gut geht, dann kann ich auch gut arbeiten. Das Wohlfühlen kommt nicht nur dem Büro-Mitarbeiter, sondern der gesamten Firma zugute.
inperspective: Viele Unternehmen wollen diese Atmosphäre kreieren. Nicht alle schaffen das. Was sind die Herausforderungen?
Marc: Die Firmenkultur und die Firmenidentität sind unheimlich wichtige Bausteine. Diese müssen wir richtig identifizieren und im Projekt integrieren. Wir sollten uns viele Fragen stellen – und möglichst konkrete Antworten finden. Was ist die Unternehmensphilosophie? Was sind die Firmenwerte? Inwieweit spiegelt sich das in der Marke wider? Diese Kultur und das Branding in eine gute Architektur und in ein ansprechendes Design umzusetzen, ist eine komplexe Herausforderung.
inperspective: Was ist das für dich interessanteste Büro-Projekt deiner Karriere?
Marc: Das Hauptquartier für "Birkenstock Australia". Die Unternehmensphilosophie des Kunden hat wunderbar mit meiner eigenen harmoniert. Natur, Nachhaltigkeit, Qualität, gesunde Materialien – das sind Stichworte, die für mich persönlich wichtig sind und genauso stark mit der Unternehmensmarke verbunden waren. In diesem Projekt ist uns die Verknüpfung von Branding, Unternehmenskultur und Architektur gut gelungen. Wir konnten den Mitarbeitern einen tollen neuen Arbeitsplatz präsentieren. Viel wichtiger als die Design- und Architekturpreise, die wir bekommen haben, ist für mich nämlich das positive Feedback von den Angestellten und Kunden von Birkenstock Australia.
inperspective: Was war an diesem Projekt herausfordernd?
Marc: Es gab viel unter "einen Hut zu bringen". Es ging nicht nur um Bürofläche, sondern auch um genügend Raum für Laden, Werkstatt, Lager und einen Außenbereich für verschiedenste Aktivitäten. Das alles durften wir in einem Gebäude umsetzen, das unter Denkmalschutz steht. Ein einfaches Projekt war das nicht, aber sehr spannend und lehrreich.
inperspective: Wie habt ihr das Projekt so erfolgreich über die Ziellinie gebracht?
Marc: Wir haben mit dem Kunden viele spannende Diskussionen geführt. Über den Büroalltag, die Zukunft des Einzel- und Großhandels und wie wir ein Headquarter auf die vielseitigen Aufgaben zuschneiden sollten. Am Ende war es eine positive Erfahrung, mit den Direktoren von Birkenstock Australia zusammenzuarbeiten. Die denken sehr designbewusst und verstehen genauso wie wir, dass gutes Design einen Wert hat und neue Werte schaffen kann. Das war die gute und notwendige Basis für die erfolgreiche Zusammenarbeit in einem so vielfältigen Projekt.
inperspective: Was würdest du Unternehmen und Architekten raten, die vor ähnlich komplexen Konstellationen stehen?
Marc: Miteinander sprechen, und das möglichst oft! Wir haben viel über die Unternehmenskultur – und wie wir diese in die Zukunft transformieren könnten – geredet. Wir recherchierten viel, führten Diskussionen mit Fachleuten, den Firmeninhabern und den Beschäftigten. Dazu kamen diverse Brainstorming Sessions, in denen wir um die besten Antworten und Ideen rangen. Und besonders wichtig: Wir sind immer wieder zu den eigentlichen Werten des Unternehmens und der Fragestellung, wie die Mitarbeiter künftig arbeiten wollen, zurückgekehrt. Flexibilität wurde von allen Seiten häufig gefordert. Darauf haben wir reagiert. Alle Mitarbeiter haben zum Beispiel einen Trolley erhalten. Diesen können sie als "mobiles Office" am eigentlichen Arbeitsplatz nutzen, am zentralen Steh-Counter oder auch draußen auf der Terrasse.
inperspective: Zum Abschluss: Welche Details sind für dich besonders erwähnenswert?
Marc: Ich möchte die Akzente, die Handwerkskunst und das Naturbewusstsein der Marke Birkenstock widerspiegeln, hervorheben. Zum Beispiel die Pflanztröge, die wir in die Schreibtische eingelassen haben. Die Tische selbst wurden aus emissionsfreiem Sperrholz gefertigt. Das Ziel der Konstruktion: Die Pflanzen sollen als semitransparente Abgrenzungen zwischen den Arbeitsplätzen fungieren. Auch mag ich die Eingangstür mit der vorgeschalteten Lattentür, auf der bei näherem Hinsehen ein überdimensionierter Fußabdruck wie im Fußbett der Birkenstock-Sandalen eingefräst ist. Im Melbourner Sommer gewährt die Tür trotz der "Verschalung" jederzeit den Einzug einer kühlenden Brise vom Ozean. Für die Mitarbeiter Trolleys setzen wir recycelte und umfunktionierte Servierwagen aus Flugzeugen ein. Auch ein nettes Detail.