Menü öffnen

Trends: Wie erkennt man früh, was bald wichtig wird?

Wie entstehen eigentlich Trends? Gabriela Kaiser ist seit mehr als 20 Trendexpertin. Im Gespräch mit ihr hatten wir einige Aha-Momente.

»Trends werden selten gemacht, sie werden aufgegriffen«, sagt Expertin Gabriela Kaiser. Die Beraterin schaut seit mehr als 20 Jahren für Unternehmen in die Gegenwart, um die Zukunft abzuleiten. Das funktioniert in der Mode herausragend gut. Aber auch bei Büros? Im Interview mit inperspective erklärt die Trendexpertin, was sie sich künftig vom Office-Design wünscht.

von Anne Ziegler

 

inperspective: Frau Kaiser, wenn ich unterwegs bin, wundere ich mich aktuell über die Mode der Gen Z. Das Gleiche habe ich früher auch getragen. Was bedeutet das?

Gabriela Kaiser: Viele Trends sind Zyklen unterworfen und kehren wieder - allerdings meist nicht zu hundert Prozent. Wir haben dann das Gefühl, diese Dinge schon zu kennen.

inperspective: Wie entstehen Trends?

Gabriela Kaiser: Viele Menschen sehnen sich nach Abwechslung. Haben wir über einen langen Zeitraum viele Muster gesehen, kommt danach sicherlich eine Phase mit vielen Unis – also einfarbigen Stoffe. In den vergangenen Jahren waren beispielsweise warme Metalle wie Kupfer und Messing angesagt. Jetzt bewegen wir uns wieder in Richtung Silber oder Chrom, also kalte Metalle.

Jetzt inperspective snacks kostenlos abonnieren

inperspective: Sie haben seit mehr als 20 Jahren eine Trendagentur, mit der Sie Kunden aus Industrie und Handel beraten. Da sieht man viele Trends kommen und gehen. Hat sich das Tempo verändert? Und wie entscheiden Sie, welcher sich durchsetzen wird?

Gabriela Kaiser: Wir erlebten über viele Jahre eine starke Beschleunigung der Trendwechsel, wobei diese Wechsel eher im Kleinen stattfanden, also eine neue Farbkombination oder ein neuer interessanter Materialmix. Trotzdem fühlten sich viele Menschen davon überfordert. Heute sind wir an einem Punkt angekommen, an dem wir merken, dass es viele neue Produkte gar nicht mehr ins Regal schaffen. Die Kundinnen und Kunden sehnen sich stattdessen nach Kontinuität.

inperspective: Das steht dem Grundprinzip des Kapitalismus entgegen. Der fordert ja: neu, neu, neu.

Gabriela Kaiser: Abwechslung ist gut, aber das Tempo ist zu hoch. Vor allem ist »Nachhaltigkeit« der übergreifende Trend unserer Zeit. Es ist nicht mehr zeitgemäß, ständig billige Produkte auf den Markt zu werfen. Selbst in der Mode hat Fast Fashion mittlerweile einen schlechten Ruf. Die Jugendlichen gehen häufiger in Second-Hand-Geschäften einkaufen.

inperspective: Wie spüren Sie Trends auf? Wo holen Sie sich Inspiration?

Gabriela Kaiser: Ich besuche Messen ganz unterschiedlicher Art. Das sind meist Fachausstellungen zu Möbeln, Heimtextilien und Home Accessoires. Aber auch Designmessen finde ich sehr interessant, bei denen kleine Manufakturen und Designer ihre Produkte präsentieren. Zudem lese ich Magazine aus dem Luxussegment. Trends entstehen teilweise in der Avantgarde. Und natürlich bin ich auch auf Instagram und Pinterest aktiv. Gucke, was die Leute dort posten und womit sie sich beschäftigen.

inperspective: Wenn Sie einen Trend aufgespürt haben: Wie geht es weiter in der Beratung mit Ihren Kunden?

Gabriela Kaiser: Trends sind nicht über Nacht da, sondern unterliegen einem Entwicklungsprozess. Ich muss zunächst entscheiden, ob das Unternehmen eher zu den »Trendleadern« gehört oder den Trend vielleicht lieber etwas später aufgreifen sollte. Dafür muss ich einige Fragen beantworten: Wofür steht das Unternehmen? Und wie ticken deren Zielgruppen? Gehören die Kundinnen und Kunden zu den Early Adoptern oder wünschen sie eher etwas Etabliertes? 

Trends spürte Gabriela Kaiser oft auf Messen auf.

inperspective: Vorhersagen sind immer noch Vorhersagen – es gibt also keine Gewissheit. Was sind die wichtigsten, vielleicht auch sichersten Indizien, die einen Trend ankündigen?

Gabriela Kaiser: Wenn ich etwas Neues oder etwas, das ich länger nicht gesehen habe, entdecke, dann ist das interessant. Aber noch kein Trend. Sehe ich aber etwas ähnliches noch einmal und dann noch einmal, dann stelle ich mir die Frage, ob das ein größerer Trend sein könnte. Sicher sein kann man nie. Allerdings mache ich das, was ich tue, schon mehr als 20 Jahre. Ich habe mittlerweile ein gutes Gefühl, was eine breite Akzeptanz im Markt hat.

inperspective: Wir sprachen nun viel über Mode. So, wie Menschen jeden Tag Kleidung anziehen, gehen die meisten auch fast täglich zur Arbeit, etwa 18 Millionen Deutsche ins Büro. Auch diese Arbeitsräume sollten eine, nennen wir es »Trend-Stimmung« treffen. Expertinnen und Experten betonen dabei besonders häufig den Faktor »Wohlfühlen«. Gibt es bestimmte Aspekte, die Büros in den nächsten Jahren dafür erfüllen müssen?

Gabriela Kaiser: Das Wohlfühlen ist ein subjektiver Aspekt. Person A mag Räume mit viel Farbe, viele Möbel und reichlich Deko. Person B fühlt sich davon erdrückt und sucht nach einer ruhigen und minimalistischen Umgebung. Auch moderne Arbeitslösungen, bei denen sich die Mitarbeitenden jeden Tag einen neuen Platz im Büro suchen, sollten vorher durchdacht sein. Es gibt Menschen, die das überfordert. Sie brauchen ihre gewohnte Umgebung und Kontinuität, damit sie ihr volles Potential beim Arbeiten ausschöpfen können.

Ich bin der Meinung, dass Unternehmen die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter fokussieren sollten. Vielleicht mit verschiedenen Büromodulen, aus denen sich die Mitarbeitenden ihre Lösung zusammenstellen können. Dann wirkt das Unternehmen trotzdem wie aus einem Guss.

inperspective: Aus der Mode kennen wir, dass sich bestimmte Farben immer mal wieder durchsetzen. Was sorgt dafür, dass eine Farbe trendet? Und kann man die Erkenntnisse von der Mode in andere Bereiche überleiten?

Gabriela Kaiser: Die Trends im Interior-Design entwickeln sich langsamer als in der Mode. Es funktioniert auch nicht alles, was sich dort beispielsweise farblich durchsetzt. Der Preis für ein T-Shirt ist nun mal ein anderer als für einen guten Stuhl. Bei niedrigeren Kosten wagen und experimentieren Firmen mehr. Dazu kommen unterschiedliche Farbvorlieben je nach Gegend und Land. Diese sind beeinflusst durch unsere Kultur, die alltägliche Umgebung, die Natur, die Lichtverhältnisse sowie unseren individuellen Lifestyle. 

inperspective: Was kommt denn nächstes Jahr auf uns zu?

Gabriela Kaiser: Wie schon erwähnt, existieren sehr unterschiedliche Trendrichtungen. Es gibt beispielsweise viele Creme-Beige-Töne, die komplett Ton in Ton gestylt werden. Dann bleiben Grüntöne wie Olive und Graugrün wichtig, die uns mit der Natur verbinden. Daneben trendet eine Farbreihe um Terracotta. Diese bringt uns viel Wärme und Geborgenheit. Da wir gerade einen Second Hand Boom erleben, entwickeln sich die romantischen Pastelltöne in eine Vintage-Farbigkeit. 

Jetzt inperspective snacks kostenlos abonnieren

inperspective: Welche Trends würden Sie daraus für Büros und Arbeitsplätze ableiten?

Gabriela Kaiser: Kommt darauf an, welche Außenwirkung ich als Unternehmen zeigen möchte. Verkaufe ich ökologische Naturprodukte, dann sind die natürlichen Grüntöne sicherlich die richtige Wahl. Führe ich eine Anwaltskanzlei, dann soll diese Seriosität ausstrahlen. Dies gelingt mit Noncolours oder milden Blautönen. Diese strahlen Vertrauen aus. Bei High Tech Firmen sieht man meist kräftige Farben wie Rot, Orange oder Blau. Die stehen für Power und Energie. Bin ich ein hippes Unternehmen, dann darf die Einrichtung auch mal aus Vintage-Möbeln bestehen oder kräftige Farben wie Pink zeigen. Wichtig ist, in der Arbeitswelt geht es immer um die Balance zwischen dem CI der Firma und den Bedürfnissen der Mitarbeiter.

inperspective: Wenn Sie Unternehmen beraten, haben diese meist eine Corporate Identity. Wie schaffen Sie es, Trends in diese Identität zu integrieren und trotzdem weiterhin die vorhandene Markenwahrnehmung beizubehalten?

Gabriela Kaiser: Es gibt ja nie nur einen Trend, sondern es existieren ganz unterschiedliche, ja teils gegensätzliche nebeneinander. Ich gucke dann, welche Trendrichtung zur Identität des Unternehmens am besten passt. Wobei ich sagen muss: Manchmal ist es auch notwendig, die Außenwahrnehmung des Unternehmens weiterzuentwickeln. Vieles ist in die Jahre gekommen.

»Abwechslung ist gut, aber das Tempo ist zu hoch. Vor allem ist »Nachhaltigkeit« der übergreifende Trend unserer Zeit. Es ist nicht mehr zeitgemäß, ständig billige Produkte auf den Markt zu werfen.«

inperspective: Die erfolgreichsten Unternehmen eifern keinen Trends nach, sie schaffen welche. Wie können Architekten oder Möbelhersteller einen Trend erzeugen – und ist das überhaupt möglich?

Gabriela Kaiser: Einige Firmen erwecken den Eindruck, dass sie Trends erschaffen. Dabei greifen sie die Trends einfach sehr früh auf. Trends werden selten gemacht – sie sind da. Natürlich gibt es auch Visionäre wie Steve Jobs, aber das sind die wenigsten.

Das Wichtigste ist aber, dass der Trend von den Kunden aufgenommen wird. Sie kaufen die Produkte, die diesem Trend folgen. Das passiert nur, wenn der Trend die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen aufgreift. Ich kann mir viel ausdenken, aber wenn das gerade keinen interessiert, dann nützt das größte Marketingbudget wenig. 

inperspective: Noch einen abschließende Frage: Wie wird man eigentlich eine Trendexpertin?

Gabriela Kaiser: Bei mir war es Zufall. Nach einer kaufmännischen Lehre habe ich Textiltechnik mit Schwerpunkt Gestaltung studiert. Darauf folgten sechs Jahre als festangestellte Designerin für Damenstrickmode. Da haben wir jedes Jahr Trends für unsere nächsten Kollektionen entwickelt. 

Nach meinem Schritt in die Selbstständigkeit habe ich Vorträge auf Messen gehalten. Das hat mir Spaß gemacht. Dazu kam die Zusammenarbeit mit einer Firma aus dem Heimtextil-Bereich. So merkte ich nach und nach, dass mir das Konzipieren besser liegt als das Entwerfen. Dass ich Trends recht treffsicher erkennen und auch erklären kann.