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Frank Eilers: »Diese Architekt:innen haben einen Wettbewerbsvorteil«

Lassen sich mit Humor und KI angenehme Büros gestalten? Frank Eilers verrät, wie Architekt:innen Wettbewerbsvorteile erlangen.

Arbeitswelten sind zu oft spaßbefreit und hässliche Büros nicht immer hässlich, sagt Frank Eilers. Der Schlüssel zu durchweg schönen und angenehmen Räumen? Womöglich Humor und künstliche Intelligenzen. Wie Architekt:innen Wettbewerbsvorteile erlangen, verrät der New-Work-Experte im Interview.

von Hannes Hilbrecht

inperspective: Herr Eilers, Sie sind anerkannter New-Work-Experte, Blogger und Podcaster. Was viele nicht wissen: Zuvor waren Sie als Stand-up-Comedian unterwegs. Wie humorvoll sind deutsche Büros?

Frank Eilers: Die meisten, die ich besonders vor Corona regelmäßig erlebt habe, waren absolut humorbefreit.

inperspective: Das überrascht wenig. Welche Folgen ergeben sich aber aus dieser »charismatischen Blässe«?

Frank Eilers: Räume laden dazu ein, witzig oder eben weniger witzig zu sein. Sie beeinflussen das menschliche Verhalten. Die Architektur von Büros kommuniziert meist das Gegenteil von Spaß. Ich geh’ dahin, ich arbeite. Und genauso sehen die Schreibtische und die Menschen aus. Kein Witz: In einem eher grauen Büro sind die Mitarbeitenden auch eher grau.

inperspective: Hatten Sie mal ein prägendes Büro-Erlebnis?

Frank Eilers: Ich musste mich vor einer Veranstaltung mal in einem der Verwaltungsbüros umziehen. Das war ein besonderes Backstage-Erlebnis! Insgesamt hingen in diesem Raum drei Wandkalender mit diesen berühmten roten Schiebekästchen. Egal wo der Verwaltungsmitarbeiter hinschaute, er wusste, welcher Tag heute ist. Anscheinend wahnsinnig wichtig. Auch war das Büro total mit Papier vollgestopft. Überall, ich meine wirklich überall, standen und lagen Akten herum. Es war vermüllt. Das hat mich nachdenklich gemacht. Für mich ist ein Büro ein Spiegelbild von dem, was dort passiert.

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inperspective: Was sagt so ein Raum über einen Menschen aus?

Frank Eilers: Dass es eine chaotische Person sein muss. Ich bin im Arbeitskontext unzähligen Menschen und ihren Arbeitsplätzen begegnet. Und fast immer verbarg sich hinter einem vermüllten Schreibtisch ein eher chaotischer Kopf. Während Ordnungsliebende es tatsächlich eher clean halten.

inperspective: Abgesehen von diesem überladenen, von Wandkalendern gesäumten Raum. Wo befinden sich normalerweise die schlimmsten Büros?

Frank Eilers: Ganz klar bei den Geschäftsführern von kleineren und mittleren Unternehmen. Da ist es immer sehr hell und sehr grau. Wenn das den Job beschreibt, möchte ich nicht mit diesen Menschen tauschen.

inperspective: Sie sprechen von Einzelfällen und darüber, was sie mit ihren Arbeitsplätzen kommunizieren. Was ergibt sich aus diesem – nennen wir es Potenzial – für die Unternehmen?

Frank Eilers: Chancen. Wenn die Hypothese stimmt, dass das Büro etwas über Menschen verrät, kann man diesen Gedanken größer spinnen. Dann ist das Office ein Ausdruck der Unternehmenskultur. Ein Spiegelbild von dem, was und wer das Unternehmen wirklich ist.

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»Die Architektur von Büros kommuniziert meist das Gegenteil von Spaß. Ich geh’ dahin, ich arbeite.«

inperspective: Nun lässt sich darüber streiten, was zuerst da war: das Büro oder der Mensch. Wer prägt wen mehr?

Frank Eilers: Für mich ist es immer ein Dialog zwischen Raum und Mensch. Es gibt eine permanente Wechselwirkung. Das Büro färbt auf die Menschen ab und umgekehrt.

inperspective: Warum sollte es Unternehmen wichtiger sein, was das Büro unterschwellig kommuniziert?

Frank Eilers: Ich vergleiche das gern mit dem Besuch bei neuen Freund:innen. Man kommt in die Wohnung und ist entweder positiv oder negativ überrascht. Das dazwischen ist eine sehr schmale Zone. Dieser erste Eindruck kann den Abend prägen. In Büros ist es so, dass ein grauer und überstrukturierter Arbeitsplatz kreative Chaotinnen und Chaoten eher abschrecken wird.

Hässliche Büros stehen für hässliche Jobs. Könnte man meinen.

Ich muss mich an eine New-Work-Veranstaltung erinnern. Ich war diesmal Zuhörer, lauschte dem Speaker. Der machte einen Witz, projizierte Folgendes an die Wand: »Kein Mensch braucht hässliche Büros.« Viele haben laut gelacht, ich nur ein bisschen. Dann dachte ich daran, dass es Menschen gibt, die ein hässliches Büro richtig gut finden. Da musste ich lachen.

inperspective: Warum?

Frank Eilers: Alle, die regelmäßig draußen sind, werden es kennen: Es laufen auf der Straße komisch angezogene Menschen rum. Wir denken: Wie kann man nur so etwas Hässliches anziehen? Was wir nicht erkennen: Die Leute, die so rumlaufen, tun es nicht, weil sie ihre Klamotten blöd finden. Im Gegenteil: Sie mögen es. Egal ob bei Kleidung, Essen oder eben Büros: Geschmäcker sind verschieden. Sehen die einen furchtbar graue Büros, sagen die anderen: Boah, da steht ne Blume rum, das ist doch voll bunt. Diese unterschiedlichen Perspektiven sollte man bei der Bewertung und Gestaltung von Büros akzeptieren.

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inperspective: Kommen wir zu einem Thema, was vielleicht dabei hilft, dass Architekt:innen-Büros besser und individueller gestaltet werden: künstliche Intelligenzen. Wer in die Branche schaut, sieht jedoch, wie schwer sich Menschen mit dem Einsatz von KI tun. Liegt das am fehlenden Humor?

Frank Eilers: Besonders wir Deutsche nehmen neue Entwicklungen zunächst immer sehr schwer. Oh Gott, was kann jetzt alles passieren. Die Arbeitsplätze! Es fehlt der Raum für optimistische Sichtweisen. Humor ist nicht automatisch positiv. Aber er beschert immer eine gewisse Leichtigkeit. Schwere Themen wie künstliche Intelligenz kann man über Witz besser zugänglich machen. Wer lacht, hat gleich weniger Angst.

inperspective: Wie werden sich Arbeit – und die Orte, an denen sie stattfindet – in den nächsten zehn Jahren durch KI verändern?

Frank Eilers: Das ist eine unglaublich schwierige Frage. Zehn Jahre sind für einen realistischen Ausblick zu lang.

inperspective: Warum?

Frank Eilers: Ich habe im Zuge von ChatGPT mit einigen Expertinnen und Experten gesprochen. Also mit Leuten, die sich beim Thema KI wirklich auskennen. Sie sind absolut überrascht von der jüngsten Dynamik. Das, was gerade passiert, hatten sie erst in ein paar Jahren erwartet.

Technologieoffe Architekt:innen können sich bei richtiger Nutzung der KI von Mitbewerbern abheben und sich somit einen Wettbewerbsvorteil sichern.

inperspective: Entkoppeln wir die Frage von der zeitlichen Dimension: Wie wird KI die Arbeit mittelfristig verändern?

Frank Eilers: Wir werden alle sehr viel weniger arbeiten. Und das ist eine exzellente Nachricht: Wer will schon mehr als weniger arbeiten? Workaholics, ja, aber die sollen das ruhig weitermachen. Wir – die Mehrheit – freuen uns, wenn wir weniger unnötige E-Mails verschicken oder Formulare ausfüllen müssen. Ich hoffe, dass uns die KI vom ganzen Schwachsinn befreit, der in uns schlummert. Denn das, was wir tagtäglich tun, ist total ineffektiv. Nicht ohne Grund zitiert der Autor Cal Newport in seinem Buch einen CEO aus dem Silicon Valley, der sagt: »Die Produktivität der Mitarbeitenden ist die Mondlandung des 21. Jahrhunderts«. Wir mögen uns im Alltag geschäftig vorkommen, aber erst wenn wir den Schwachsinn loslassen, der automatisierbar ist, werden wir ernsthaft zur Produktivität fähig sein. Dann schaffen wir das, wofür wir heute 40 Stunden brauchen, bald in zehn.

inperspective: Genau das ist eine der Zahlen, die Menschen verängstigt. Arbeit reduziert sich drastisch. Damit auch die eigene wirtschaftliche Stabilität. Wie willst du diese Ängste nehmen?

Frank Eilers: Ich habe mal einen Altersanzug von einer Kosmetikfirma getragen. Der macht einen 40 Jahre älter. In diesem Anzug ist man schwerer, die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt, die Gelenke funktionieren nicht, wie sie sollen. Die Ohren werden abgeklebt, sodass man weniger hört. Ich war damals 30 und sollte mich durch den Anzug wie ein 70-Jähriger fühlen. Das hat mich extrem erschrocken. Ich war halb blind, fast taub, total steif. Ich hab damals meinen Vater angerufen, der genau 40 Jahre älter ist. Ich sagte: Papa, ich kann jetzt nachvollziehen, wie du dich fühlst. Es ist der Horror! Er hat gelacht und mich beruhigt. Und gesagt, dass er das gar nicht so schlimm wahrnimmt, eben weil sich dieser Prozess mit der Zeit einstellte. Er hat ihn nicht bewusst mitbekommen.

So wird es auch mit der KI und unseren Arbeitswelten sein: Nicht von heute auf morgen wird sich die Arbeit signifikant verändern. Aber wir werden wie in der Industrialisierung sehen, dass nun Wissensarbeiter:innen schleichend Jobs und Tätigkeiten an künstliche Intelligenzen übergeben. In zehn Jahren werden wir zurückschauen und staunen, wie wir damals ohne klarkommen konnten.

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inperspective: Was bedeutet das für Architekt:innen?

Frank Eilers: Dass sie sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können.

inperspective: Die da wäre?

Frank Eilers: Je digitaler die Welt wird, desto mehr kommt es auf das zutiefst Zwischenmenschliche an. Auf Empathie. Gute Architekt:innen sprechen mit ihren Kund:innen und können mit ihrer Rhetorik die notwendigen Informationen erfragen. Was benötigen sie? Was ist wichtig? Nicht falsch verstehen: Erste künstliche Intelligenzen sind zu Empathie fähig. Aber der Mensch kann das noch deutlich besser.

»In zehn Jahren werden wir zurückschauen und staunen, wie wir damals ohne KI klarkommen konnten.«

inperspective: Wie kann ein Zusammenspiel von Architekt:innen und künstlichen Intelligenzen funktionieren?

Frank Eilers: Entwicklerinnen und Entwickler liefern ein gutes Beispiel. Werden sie in den nächsten Jahren noch den kompletten Code selber schreiben? Ich erwarte es nicht. Eher werden sie im Zusammenspiel mit der KI den Code erzeugen. Wichtig ist dabei die Kunst des Prompten, des Befehlens. Gute Entwicklerinnen und Entwickler werden der KI auftragen, was sie schreiben sollen. Das spart Zeit, erfordert aber neues Know-how. Eine ähnliche Beziehung erwarte ich zwischen Architekt:innen und der künstlichen Intelligenz: ein Dialog. Architekt:innen müssen dafür jedoch weiterhin die richtigen Worte finden und konkrete, zum Projekt passende Fragen stellen.

inperspective: Inwieweit können sich Architekt:innen, die technologieoffen arbeiten, mithilfe von KIs einen Marktvorteil sichern?

Frank Eilers: Die Bedingung dafür ist, dass man es richtig nutzt. Wenn Architekt:innen das können, werden sie sich von der Konkurrenz abheben. Ein Beispiel: Sie können den Prozess einer Kundenanfrage besser automatisieren. Die Anfragenden bekommen schneller eine Antwort, ein Termin wird vorgeschlagen. Die Nutzung von KI bietet den Architekt:innen also einen Wettbewerbsvorteil. Das heißt nicht, dass die Innovationen alle wegfegen, die noch nicht mit künstlichen Intelligenzen arbeiten wollen. Auch in zehn Jahren wird es Kund:innen geben, die den menschlichen Kontakt zu einem Dienstleistenden bevorzugen.

inperspective: Zum Abschluss: Würde man alle Quadratmeter Bürofläche, die es in Deutschland gibt, wie ein Puzzle zusammenfügen, würde das für die Größe von München plus Umland reichen. Was passiert mit Arbeitsflächen, wenn generell weniger Arbeit stattfindet?

Frank Eilers: Wir werden mittelfristig nicht so viel Büroraum brauchen wie heute. Es zeigte sich in den vergangenen 50 Jahren, dass die Deutschen immer weniger arbeiten. Das ist das normale menschliche Streben nach verbesserten Lebensbedingungen. Heißt für mich eindeutig: Wir benötigen weniger Bürogebäude. Arbeit wird noch mehr im Homeoffice stattfinden. Genau dort sehe ich für Architekt:innen großes Potenzial. Bisher sind die meisten dieser sogenannten Telearbeitsplätze Provisorien. Ich bin gespannt, wie viele Bandscheibenvorfälle es demnächst geben wird. Ich kann mir also gut vorstellen, dass mehr Unternehmen ihre Mitarbeitenden mit Budgets ausstatten, mit denen sie dann ihr Homeoffice einrichten. Das ist eine Chance. Denn nur, weil der Job seltener in Büros stattfindet, sollte die Qualität der Arbeitsumgebung nicht sinken.