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Teambuilding: Wie Floßbau das Klima im Büro verbessert

Die Sportpsychologin und Erlebnispädagogin Anne Lenz im Gespräch mit inperspective über Teambuilding

Die einen sind überzeugt, die anderen überzeugte Gegner:innen – Teambildende Maßnahmen sind umstritten. Dabei gewinnen sie während des New-Work-Wandels an Wichtigkeit. Wie Floßbau, Kanufahrt und Co. den Teamgeist fördern und wo bereits im Büro Teambuilding beginnt? Ein Gespräch mit der Sportpsychologin und Erlebnispädagogin Anne Lenz.

von Elena Stenczl

inperspective: Anne, Homeoffice und hybrides Arbeiten ermöglichen einerseits Freiraum, schaffen andererseits Distanz unter den Mitarbeitenden. Wie haben sich die Teams in Unternehmen in den vergangenen Jahren entwickelt? 

Anne Lenz: Die Mitarbeitenden fordern mehr Flexibilität, Freiheit und Individualität am Arbeitsplatz. Jedoch darf die gegenseitige Abhängigkeit der Teamkolleginnen und -kollegen nicht ignoriert werden. Anreize für Kooperation und gemeinsame Interaktion sind angesichts von Individualitäts- und Freiheitsbedarf aktuell umso wichtiger. 

inperspective: Wie erlebst du die Teammitglieder während deiner Workshops?

Anne Lenz: Oft treffen Mitarbeitende aufeinander, die sich durch Homeoffice noch nie oder nur in Online-Meetings gesehen haben. In solchen Fällen ist eine Hemmschwelle gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen normal. Was mir negativ auffällt: Durch den New-Work-Wandel geraten individuelle Bedürfnisse stark in den Vordergrund. Diese beim Teambuilding für das betriebliche Ziel hinten anzustellen, ist für viele herausfordernd. 

inperspective: Wie lässt sich der Teamgeist am Arbeitsplatz trotz Homeoffice aufrechterhalten, sogar fördern?

Anne Lenz: Digitale Meetings dürfen Führungskräfte gerne mal mit sozialen Aspekten schmücken. Zum Beispiel stelle ich bei der Koordination von rund 20 Mitarbeitenden alle zwei Wochen in Online-Meetings eine Frage der Woche. Dieses Ritual bietet Raum für persönlichen Austausch und wurde nun auch in einem meiner wöchentlichen Teammeetings etabliert. Wir tauschen uns ungezwungen aus und lernen uns besser kennen.

inperspective: Was können Architekt:innen bereits bei der Gestaltung von Büroräumen beachten? Ein Parcours im Pausenraum oder eine Kaffeemaschine, die sich nur durch eine komplexe Kettenreaktion betätigen lässt?

Anne Lenz: Das sind schon kreative Ideen, ich muss schmunzeln! Die Atmosphäre im Büro sollte zu Gesprächen und zum gemeinsamen Verweilen einladen. Ich weiß, Chefs hören das ungerne, wenn ich so etwas vorschlage, aber: Diese Zeiten, in denen wir abseits der Arbeit über Privates oder interne Abläufe in entspannter Atmosphäre mit Kolleginnen und Kollegen sprechen, bewirken mehr als wir denken. Sie bauen Hemmungen ab, damit man im betrieblichen Alltag leichter auf seine Teammitglieder zugehen kann.

Die Atmosphäre im Büro sollte zu Gesprächen und zum gemeinsamen Verweilen einladen.

inperspective: Mit Blick auf Teamgeist und Mannschaftsgefüge: Wie sieht für dich das perfekte Büro aus?

Anne Lenz: In Open Workspaces muss ich mich zwangsläufig mit meinen Mitmenschen auseinandersetzen. Wo sitzt der Kollege an diesem Tag? Wo kann ich mich mit jener Kollegin treffen? Aber auch Einzelbereiche für ungestörtes Arbeiten oder informelle Gespräche sind wichtig. Ebenso ein einladender Pausenraum mit Möglichkeiten zur informellen Interaktion durch Geräte wie Tischtennisplatte, Dartscheibe, Kicker…

inperspective: Kicker und Tischtennisplatte stehen in fast jedem Startup-Office. Traditionelle Unternehmen belächeln sie dafür. »Typisch Startup eben«. Dabei würde frischer Wind – sogar buchstäblich, wie aus dem inperspective-Gespräch mit Geruchsforscher Johannes Frasnelli hervorgeht – auch in ursprünglichen Büros positive Effekte erzielen. 

Anne Lenz: Diese alten Büroklötze, in denen sich Einzelbüro an Einzelbüro reiht, wirken dem Teamzusammenhalt entgegen. Glücklicherweise sind inzwischen traditionelle Betriebe offener für luftige Workspaces und agile Arbeitsmethoden. Sie haben begriffen, dass sie nur so zukunftsfähig bleiben. 

inperspective: Anne, du bist sportpsychologische Expertin und Erlebnispädagogin, dein Fachgebiet ist das Teambuilding. Was ist das Ziel von Teambuilding-Maßnahmen? 

Anne Lenz: Eine Gruppe – meist ein zusammengewürfelter Haufen – soll am Ende ein Team sein. Ein Team zeichnet aus, dass es ohne Regulation von außen selbstständig, effizient und effektiv arbeiten kann. Das Team löst Herausforderungen eigenverantwortlich. Durch Rollenverteilung, Nutzung von Stärken und Kompensation von Schwächen. Teambuilding soll positive Erfahrungen sowie Vertrauen schaffen und zeigen, dass Krisen bewältigt werden können.

Teambuilding soll positive Erfahrungen sowie Vertrauen schaffen und zeigen, dass Krisen bewältigt werden können.

inperspective: Du arbeitest zum einen mit Sportmannschaften, zum anderen mit Arbeitskolleginnen und -kollegen. Was interessiert dich an Teambuilding über den sportpsychologischen Bereich hinaus?

Anne Lenz: Es geht sowohl bei sportlichen als auch wirtschaftlichen Teams immer um Leistung. Bei den einen ist es die körperliche, bei den anderen die kognitive. 

inperspective: Lässt sich ein Kollegium als Mannschaft bezeichnen? 

Anne Lenz: Rein wissenschaftlich betrachtet? Nein. Aber man kann beides trotzdem gut vergleichen. Es ist eine Gruppe von Menschen, die aufeinander angewiesen sind, um ein Ziel zu erreichen. Es gibt unterschiedliche Positionen und Rollen, die es auch in einer Sportmannschaft gibt. Zum Beispiel in Form von Abteilungen. Der Vergleich hinkt also nicht. 

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inperspective: Wie wird ein Kollegium zu einem Team? 

Anne Lenz: Teambuilding basiert rein wissenschaftlich auf zwei Säulen. Die eine Säule ist der soziale Zusammenhalt. Das bedeutet: Kolleginnen und Kollegen lernen sich abseits des betrieblichen Alltags kennen, unternehmen etwas außerhalb der eigenen Bürowände miteinander. Sie entwickeln Empathie und Sympathie füreinander. Die zweite Säule ist der aufgabenorientierte Zusammenhalt. Dafür müssen konkrete Fragen beantwortet werden: Was ist unser Ziel? Was müssen wir dafür tun? Und wie hoch ist die Anstrengungsbereitschaft? 

inperspective: Du hast eben von »einem zusammengewürfelten Haufen« gesprochen. Ein Arbeitsteam besteht häufig aus älteren und jüngeren Mitgliedern. Wildwasser-Rafting dürfte den älteren nicht so gut gefallen, eine Runde mit dem Ausflugsdampfer ist weniger im Sinne der jüngeren. Welche Aktionen unternimmst du mit einer gemischten Gruppe? 

Anne Lenz: Beispielsweise Floßbau oder eine Kanufahrt. Man kann auch auf klassische Kooperationsaufgaben zurückgreifen, die schnell als »lustige Gruppenspiele« abgetan werden. Wichtig bei allen teambildenden Maßnahmen ist die richtige Anleitung. Die zwei angesprochenen Säulen sind dafür das Fundament.

Gemeinsames Kanufahren kann generationsübergreifend den Teamgeist fördern

inperspective: Wie begegnest du Kritikerinnen und Kritikern deiner Arbeit? 

Anne Lenz: Es wird immer Teams geben, in denen manche Mitarbeitende die entsprechenden Methoden für irrelevant halten. Eine Teambuilding-Maßnahme, die bei einigen auf Zweifel stößt, kann aber eine Chance sein. Es wird Gründe für die Skepsis geben. Vielleicht lernt das Team die individuellen Bedürfnisse dieser Teilnehmenden kennen und kann darauf eingehen. Vielleicht erkennen die Kritikäußernden den Mehrwert, die eigenen Vorurteile zugunsten des Teams zu durchbrechen.

inperspective: Bei einer Umfrage von Vodafone und YouGov in Großbritannien kam heraus, dass jüngere Mitarbeitende ohne Familie und Verpflichtungen eher für Teambuilding zu begeistern sind als ältere mit Anhang. Wie erklärst du dir dieses Ergebnis? 

Anne Lenz: Das liegt vermutlich an zeitlichen Ressourcen und Prioritäten im Leben. Mitarbeitende verknüpfen Teambuilding in der Regel mit Mehraufwand, den sie nach Feierabend leisten. Unternehmen sollten Maßnahmen in der Arbeitszeit durchführen. Sofern sie im Interesse des betrieblichen Ziels stattfinden. Dann stehen Mitarbeitende dem Thema direkt offener gegenüber. 

inperspective: Überraschenderweise gaben beide Altersgruppen an, dass die gemeinsamen Erlebnisse nichts zur Effektivität beitragen würden. 

Anne Lenz: Alles, was über den sozialen Zusammenhalt definiert wird, wird meist als weniger wirksam wahrgenommen. Es ist eben »nur« ein spaßiger Grillabend oder ein bisschen Bowling. Diese Aktionen wirken jedoch implizit, also eher unbewusst und langfristig. Ich habe Hans-Peter vielleicht von einer ganz anderen Seite kennengelernt und kann morgen entspannter zum Hörer greifen, weil ich gestern mit ihm auf einem Floß gesessen habe. Unternehmungen, die explizit besprochen werden, in denen gemeinsame Ziele festgelegt und bewertet werden, nehmen Teilnehmende eher als gewinnbringend wahr. 

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inperspective: Deadlines, Überstunden, hohe Anforderungen: Der Arbeitsalltag produziert Stress und Konfliktpotenziale. Wieso sind aus psychologischer Sicht besonders die Teambuilding-Events wertvoll, bei denen die Teilnehmenden gemeinsam ein Problem lösen? Beispielsweise beim Floßbau. 

Anne Lenz: Wir lassen durch das Teambuilding ein scheinbares Problem entstehen, an dem sich die Gruppe ausprobieren kann. Es geht noch nicht um große Gelder, den entscheidenden Vertrag oder folgenschwere Konsequenzen. Das Team kann in einem Safe-Space-Setting experimentieren, eigene Lösungsstrategien entwickeln, erproben und sich dabei selbstwirksam erleben.

inperspective: Nicht jede Position im Unternehmen befindet sich an vorderster Front. Es gibt Mitarbeitende, die in zweiter oder dritter Reihe gute Arbeit leisten, aber nur selten wahrgenommen werden. Bieten solche Aktionen weniger präsenten Mitarbeitenden die Chance auf Wertschätzung? Die bleibt schließlich im digitalen Arbeitsalltag oft auf der Strecke, wie New-Work-Experte Gabriel Rath im inperspective-Gespräch erläutert. 

Anne Lenz: Eine teambildende Maßnahme oder Kooperationsaufgabe kann dazu führen, dass in der Reflektion klar wird: Wow, wir brauchen tatsächlich jedes Zahnrad, jedes Puzzleteil. Diese Erkenntnis ist super für den späteren Arbeitsalltag.

inperspective: Unternehmen X verbringt nun einen Tag am See, baut ein Floß, im Anschluss wird gegrillt, die Stimmung ist ausgelassen. Am nächsten Tag kehren alle wieder ins Büro zurück und machen weiter wie zuvor. Spricht man in dem Fall von einem Misserfolg des Teambuildings?

Anne Lenz: Ein unreflektiertes Teambuilding erzielt keinen Effekt. Schon während der teambildenden Maßnahme sollten Prozesse evaluiert werden: Was nehmen wir jetzt mit? Welche Interaktionen, Werte und Ziele haben sich herauskristallisiert?

inperspective: Was ist nötig, damit das positive Klima des Teamevents im Büro Einzug hält? 

Anne Lenz: Sobald die Frage »Was nehmen wir daraus mit?« geklärt ist, geht es an die Realisation und Implementierung im Arbeitsalltag. Die Mitarbeitenden müssen sehen, dass die Führungskraft die Ergebnisse zeitnah initiiert, konkrete Schritte sowie Handlungspläne erstellt und reflektiert: Wie schaffen wir es, dass wir immer so zusammenarbeiten wie beim Floßbau?

Eine teambildende Maßnahme oder Kooperationsaufgabe kann dazu führen, dass in der Reflektion klar wird: Wow, wir brauchen tatsächlich jedes Zahnrad, jedes Puzzleteil. Diese Erkenntnis ist super für den späteren Arbeitsalltag.

inperspective: Wie eingangs erwähnt, sind die Leute immer seltener im Büro. Was bedeutet das für das Teambuilding? 

Anne Lenz: Dass ein alltäglicher, ungezwungener Austausch auch digital stattfinden muss. Er gewinnt deutlich an Wichtigkeit.

inperspective: Braucht Teambuilding gerade jetzt Präsenz?

Anne Lenz: Ja, auf jeden Fall. Insbesondere aufgrund des erwähnten Individualisierungsdrangs jedes einzelnen Teammitglieds. Und natürlich durch die Folgen von Corona: Neue Teams werden zusammengeworfen, die von Anfang an von sozialer Distanz geprägt sind. 

inperspective: Jeden Tag ein Floß bauen ist natürlich unrealistisch. Wie lassen sich Teambuilding-Maßnahmen am Arbeitsplatz integrieren? 

Anne Lenz: Jedes Projekt kann eine Teambuilding-Maßnahme sein. Es kommt nur auf die entsprechende Anleitung an.

inperspective: Warum ist insbesondere regelmäßiges Teambuilding so wichtig? 

Anne Lenz: Diverse wissenschaftliche Studien sowie meine eigene Masterarbeit aus der Sportpsychologie zeigen, dass teambildende Maßnahmen einen hohen Effekt entfalten können. Es zeigt sich allerdings auch, dass sie wie Strohfeuer aufflammen: Rascher Effekt ohne langfristige Wirkung. Deswegen müssen diverse Maßnahmen im Büroalltag implementiert werden. Ob es nun tägliche Zeitslots sind oder quartalsweise Events. 

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inperspective: Ist es sinnvoll, eine Person mit der Planung solcher Events zu betrauen? Also eine feste Rolle dafür zu schaffen?

Anne Lenz: Ich würde es eher als Staffelstab sehen. Wenn wir immer dieselbe Person mit Teambuilding beauftragen, geraten wir schnell in soziales Faulenzen und denken uns: Na ja, Brigitte wird das Ding schon schaukeln. Bekommt jeder mal den Staffelstab in die Hand gedrückt, tragen alle gleichermaßen Verantwortung dafür. 

Ich würde es eher als Staffelstab sehen. Wenn wir immer dieselbe Person mit Teambuilding beauftragen, geraten wir schnell in soziales Faulenzen und denken uns: Na ja, Brigitte wird das Ding schon schaukeln.

inperspective: Abschließend: Zahlreiche Unternehmen bedauern, dass die Büros zusehends leer bleiben. Die Kultur leidet darunter. Zwang ist aber kein probates Mittel, eher Zunder für Konflikte. Wie kann Teambuilding – zusammengefasst – die Bedeutung des gemeinsamen Arbeitsortes wieder aufleben?

Anne Lenz: Teamzusammenhalt lässt sich wie eine Art »Teamkleber« betrachten, der langfristig Kündigungen vorbeugen kann. Wenn ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen sehr gut verstehe, wir ein Team sind und die Verantwortung für ein wichtiges Projekt tragen, wird ein meist positiver, sozialer Druck ausgelöst. Du wägst vielleicht einmal mehr ab, ob du den Job wirklich aufgeben willst, nur weil es aktuell nicht ganz zu deiner Zufriedenheit läuft.