Ein Tisch besteht aus einer Platte und vier Beinen. So oder so ähnlich ist es fast immer gewesen. Ziemlich langweilig. Welches Innovationspotenzial Tische stattdessen entfalten könnten, fantasiert inperspective-Autor Hannes Hilbrecht. Ein Pandemie-Brainstorming.
von Hannes Hilbrecht
Der Roman "Elefant", verfasst vom Schweizer Schriftsteller Martin Suter, kann vortrefflich unterhalten, spannende Gedanken anregen, vor allem aber ein unbehagliches Gefühl in der Magengegend bereiten.
Es geht in dem Werk – das verrät das Cover in der gewohnt verliebenswürdigen Aufmachung des Diogenes-Verlags – um einen rosafarbenen Elefanten. Präziser formuliert: um einen quick lebendigen, fluoreszierend leuchtenden Miniatur-Dickhäuter. Ein durchtriebener Wissenschaftler und seine Investoren träumen vom großen Geld, das die Vermarktung und Reproduktion eines solchen Wesens verspricht. Sie manipulieren das Erbgut und lassen mithilfe einer Rüssel tragenden Leihmutter ein solch schimmerndes Tier gebären. Zu unglaublich, um wahr zu sein; zu wahrscheinlich in einer verrückten Welt, um nicht doch irgendwann real zu werden.
Die Erzählung Suters entfaltet ihre Spannung auch aus dem moralischen Spagat zwischen wissenschaftlichem Können und dem Schindluder, das Talent vor lauter Profitgier und Innovationsdruck mitunter herbeiführen kann. Zum Glück geht es in dieser #inperspective-Episode nicht um Ethik und Exoten, sondern um Schreibtische. Besser gesagt: Um das, was ein Desk in Zukunft beherrschen würde, wenn ich vier Wünsche frei hätte.
1. Im Dunkeln leuchten
Neulich stand ich an einem frostigen Januarabend im Vestibül einer Sparkasse. Es roch nach Putzmittel, der Geldautomat spuckte ratternd ein kleines Bündel Scheine aus. Während die Maschine im Neonlicht brummte, fiel mein Blick durch eine kleine Lücke des nicht vollständig geschlossenen Vorhangs. Ich lugte in die Beratungsräume der Bank. Und da sah ich ihn: einen rosa leuchtenden Schreibtisch. Ich kannte Suters Roman bereits, es dauerte also nur ein paar Sekündchen, bis sich die passenden Synapsen in meinem Hirn schlossen.
Ich sah jedoch nicht genug vom Arbeitsplatz, um zu erkennen, was da leuchtete. Es wirkte fast wie verunglückter Weihnachtsschmuck, den ich an den Hecken einer Klinkerhäuschen-Siedlung erwarten würde. Nicht in einer Bank.
Egal, was es war: Es sah nicht gut aus, brachte mich aber auf eine Idee: Was, wenn Tische im Dunkeln und im Zwielicht leuchten könnten, mithilfe von Sensoren ihre Helligkeit an die Lichtverhältnisse im Raum anpassen würden? Die Schreibtische das Licht so optimal einstellen, wie es Lichtexperte Dr. Oliver Stefani empfiehlt?
Klar, es gibt Tischlampen, die können das schon. Aber ein leuchtender Desk lässt sich nicht so leicht stehlen wie eine Büroleuchte. Und: Es wäre so viel cooler, an einem Tisch zu sitzen, der seine Farbe wechseln könnte wie eine Lichtorgel.
2. Schreiben leicht gemacht
Letztens lag ein dicker Umschlag in meinem Briefkasten, adressiert von der Regierung. Der Inhalt steckte in einer Schutzfolie. Ich erwartete nichts anderes als ein Jobangebot für den Inlandsgeheimdienst. Oder Fanpost.
Wieso Geheimdienst? Die Sache ist die: Meine Handschrift ist so gut darin, Informationen zu codieren, dass auch die Enigma an ihr verzweifeln würde. Diese sagenumwobene Sauklaue verbannte Lehrer einst in seelische Territorien der Verzweiflung. 36 krakelige Seiten Geschichts-Leistungskurs-Abi hinterließen verbranntes Lehrer-Land.
Was witzig klingt, ist ein Problem: inperspective-Interviews wie mit Wolf Lotter ziehen sich gelegentlich über einige Stunden. Mein Diktiergerät ist ziemlich unzuverlässig, und so entstehen rasch bis zu 15 Seiten mit handschriftlichen Notizen. Die wenigsten Zeilen erwecken den Eindruck von Lesbarkeit.
Blöd. Aber Hoffnung zieht auf. Denn: Es gibt smarte Tablets mit einer papierähnlichen Oberfläche, auf denen die Benutzer direkt mit einem Stift schreiben können. Die Schrift wird erkannt und mit Computer-Superkräften in Times New Roman digital transkribiert. Gut lesbar und archiviert für die Ewigkeit.
So ein festes Feld könnte sich auf einer smarten Tischplatte als funktional erweisen. Die wichtigsten Infos direkt auf den Schreibtisch kritzeln und diese dann in Echtzeit feinsäuberlich auf dem Desktop bearbeiten – das spart Papier, Zeit und am Ende auch: Geld.
Ach ja: Im Paket der Landesregierung waren FFP2-Masken.
3. Smarte Tische für mehr Individualität
Mal wieder im Büro gewesen. 80 Arbeitsplätze da, aber nur vier Kollegen. Zeit, mal einen neuen Platz zu testen, ein zusätzliches Büro-Revier zu ergaunern. Ich zog aus dem Redaktionskeller ins Obergeschoss. Jetzt Seeblick, tanzende, kahle Äste der verschrobenen Birken vor den Fenstern. Im Frühling sieht man Knospen. Tageslicht. Schön.
Ratzfatz war der Stuhl auf meine Proportionen eingestellt, der Tisch elektrisch hochgefahren; gut für meine Wirbelsäule. Nach zwei Tagen am neuen Arbeitsplatz fix die Platte abgewischt und die Maxibox mit Pfefferminz-Dragees wieder aufgefüllt. Und dann natürlich nicht mehr gewusst, wie der Tisch vom eigentlichen Besitzer – wahrscheinlich in mühevoller Detailarbeit – auf die eigenen ergonomischen Bedürfnisse ausgerichtet worden war. Verdammt. Jetzt drohen ein schnaubender Kollege und eine firmeninterne Fatwa.
Die smarte Lösung, besonders in nahenden Flex-Desk-Zeiten: Intelligente Schreibtische mit Bordcomputer, auf denen sich verschiedene Nutzerprofile und Gewohnheiten anlegen und einstellen lassen. So ließe sich auf Knopfdruck jeweils das perfekte individuelle Arrangement zwischen Tisch und Mitarbeiter wählen.
Gut für den Rücken. Und den Kollegenfrieden.
Update: Ich Stiesel. Ein Büro weiter, dort, wo anscheinend die Leistungsträger der Crew residieren, gibt es diese Bordcomputer bereits.
4. Grüner Tisch
Gras ist gut für die Kreativität. Zumindest bei mir. Im vergangenen Sommer arbeitete ich häufig auf einer Picknickdecke unter einer Schatten schmeißenden Kastanie. Das Gras war weich, dazu roch es, frisch gemäht, nach jugendlichem Leichtsinn. Das half bei so manch komplexer Text-Geburt. Wie sehr uns Gerüche beeinflussen, motivieren und auch ablenken können, hat der Geruchsforscher Prof. Johannes Frasnelli inperspective bereits detailreich erklärt. Schon kleinste Duftmoleküle, die an den Rezeptorzellen in der Nase andocken, können Erinnerungen wiederbeleben oder positive Emotionen hervorrufen. Gerüche steuern unsere Gedanken.
Außerdem sind biophile Designelemente wie Gummibäume, Kakteen oder gar bepflanzte Wände gut für die Mitarbeiter-Psyche, was – wissenschaftlich belegt – auch an der beruhigenden Wirkung von grünen Farbtönen liegt. Natur macht glücklich. Sogar Buchhalter.
Braucht es Tischplatten mit Rollrasenbezug oder eingefrästen Kuhlen für hölzerne Pflanzenkübel, vielleicht die Möglichkeit, Blumenkästen an den Tischflanken anzubringen? Wäre eine Geruchsaromen versprühende Tischplatte die Lösung? Ich fände einen Tisch toll, der sich nach Park anfühlt und manchmal nach Wald riecht. Zumindest ein bisschen. Der Kopf auf der Tischplatte, bislang ein Ausdruck für einen seelischen Furor oder die totale Ermüdung, wäre plötzlich ein Bild des produktiven Innehaltens und des kreativen Abchillens. Für so einen Highlight-Tisch würde ich gerne ins Büro fahren.