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Perspektive: Gute Akustik ist mehr als ein Nice-to-Have

Petra Muchow ist Wirtschaftspsychologin, arbeitete fast 20 Jahre in der Musikbranche und ist heute Unternehmerin.

Manche mögen es still wie in einer Bibliothek, andere brauchen die gluckernde Kaffeemaschine im Hintergrund. Wir haben sechs Führungskräfte und Trendsetter gefragt, welche akustische Atmosphäre sie zum Arbeiten benötigen.

von Anna Baldig

Petra Muchow, Inhaberin der Gedankentanken Leaders Academy Hamburg-Lübeck-Berlin

Es soll ja Menschen geben, die eine Geräuschkulisse brauchen, um produktiv arbeiten zu können. Im Coworking-Space zum Beispiel, in der Bahn oder auf dem Flughafen. 

Bei mir funktioniert das leider gar nicht. Ich bin ein wahnsinnig interessierter Mensch, habe meine Antennen ständig "auf Empfang". Das ist nicht nur positiv. Denn auch wenn ich als Unternehmerin viel unterwegs bin, kann ich die Reisezeit nicht zum konzentrierten oder kreativen Arbeiten nutzen. Dafür brauche ich unbedingt meine ablenkungsfreie Ruhe. Diese finde ich in unserem Büro. Das ist durch die vielen Glaselemente sehr offen gestaltet, bietet mir aber gleichzeitig genügend Ruhezonen. Es gibt überall Schallabsorber für die Akustik. Sie sorgen für einen angenehmen Raumklang. 

Am liebsten arbeite ich spätabends im Büro. Wir haben ein traumhaftes Lichtkonzept! Das kommt im Dunkeln erst richtig zur Geltung. Außerdem klingelt kein Telefon mehr und die Zeit der Kundenbesuche ist auch vorbei. Da wir eine Bürogemeinschaft von Selbstständigen und Freiberuflern sind, ist auch am Abend fast immer noch jemand da. Einsam und allein ist man also nicht. Es lässt sich nur ruhiger arbeiten. Das ist für mich eine unschlagbare Atmosphäre.

Gabriel Rath, Marketing Ostseesparkasse, Rostock

Wenn wir über das Thema Arbeit reden, gibt es unterschiedliche Typen. Einige bevorzugen die absolute Stille, um produktiv zu sein. Andere mögen es, in einem Café zu arbeiten. Für mich persönlich muss der Raum mit seiner Geräuschkulisse zu der Art der Arbeit passen. Wenn ich also ein Konzept schreibe, bevorzuge ich ein ruhiges Büro. Wenn ich kreativ arbeite, tauche ich auch gern in ein offenes und kreatives Umfeld ein.

Lärm ist nicht gleich Lärm. Geräuschpegel von einer Straße zum Beispiel, den man bei geöffnetem Fenster wahrnimmt, empfinde ich als angenehm. Wenn allerdings Kollegen im Büro häufig telefonieren, dann stört mich das schnell. Aber jeder empfindet das anders.

Ich arbeite am liebsten in einem Büro mit ein oder zwei Kollegen. Man hat genügend Ruhe für seine "Deep-Work-Phasen”, kann sich aber situativ austauschen.

Gabriel Rath ist nicht nur Marketer, sondern auch ein bekannter Blogger. Auf "Daddymodus" schreibt er über das Vatersein.

Hanna Drabon, Intrapreneurin comspace, Bielefeld

Für mich ist es mittlerweile normal, dass ich meinen Arbeitsplatz regelmäßig wechsel. Bei fokussierter Arbeit, zum Beispiel an Konzepten und anderen Texten, brauche ich meine Ruhe – da ist das Arbeiten von zu Hause für mich perfekt.

In meinem “normalen” Büro schätze ich die kurzen Wege.  Außerdem liebe ich die lebendige Atmosphäre im Coworking Space. Sie inspiriert mich zu neuen kreativen Ideen. Und Zwischendurch darf auch gerne mal laut gelacht und diskutiert werden.  

Das genaue Gegenteil ist für mich das Großraumbüro. Ich habe lange in einem solchen gearbeitet und festgestellt, dass es für mich total ungeeignet ist. Bei mir löste das Großraumbüro einfach nur Stress aus. Oft kam es zu unnötigen Konflikten zwischen den Kollegen. Das Problem war die Akustik. Denn sie ist weit mehr als nur ein "Nice-to-have". Für mich ist Akustik ein wichtiger Teil, um die Produktivität zu steigern. 

Was die perfekte akustische Lösung für mich wäre? Ein gemeinsames Büro mit meinem Team, eine Art Kreativraum. Allerdings wäre das für einige aus dem Team wahrscheinlich auch problematisch, da sie oft in Ruhe programmieren müssen. Flexibilität ist daher wirklich wichtig.  

Karen Löhnert, Start-up Sleeperoo, Hamburg

Wir sind ein Start-up und sitzen mit sechs bis sieben Leuten in einem offenen Büro – perfekt für unsere aktuelle Unternehmensphase. Wir stecken noch in den Kinderschuhen. Da ist es sehr praktisch, wenn man immer mitbekommt, was bei wem gerade läuft. So können wir viele Prozesse rasch optimieren. 

Wenn allerdings jemand Termine mit Externen machen muss oder im Telefonat mit einer Bank oder einem Kunden ist, stört das den Arbeitsfluss erheblich. Unsere Lösung im Moment: Wir verabreden uns vor oder nach den Kernbürozeiten oder telefonieren außerhalb des Büros. Die Kollegen, die im Sales arbeiten, setzen sich auch einfach mal dicke Kopfhörer auf, um in Ruhe mit dem Gesprächspartner kommunizieren zu können. Von daher wäre mein Plädoyer immer: Gern alle in einem Büro, denn Austausch ist gut. Aber dafür braucht es mindestens einen separaten Raum als Rückzugsort.  

Karen Löhnert erfüllt mit Sleeperoo touristische Träume. Schlafcubes werden dafür an besonderen Orten aufgestellt.

Beat Bühlmann, Vice President Swisscom, Zürich

Bei Deep Work Tasks ist Ruhe zwingend. Lärm sorgt für vermehrte Unterbrechungen. Das begünstigt den Triple Overload. Die richtige Atmosphäre ist mir sehr wichtig, darum wähle ich jeden Arbeitsort nach den zu erledigenden Aufgaben. Lärm führt bei mir zu stärkerer Ermüdung und einer höheren Fehlerrate.

Für Aufgaben, die keine tiefgründige Konzentration erfordern, gehe ich gerne ins Open Office (man kriegt da so viel mehr mit). Auch leise und leichte Musik ist gut. Generell benötige ich ein Office mit viel Licht, aber ohne direkte Sonneneinstrahlung. Frische Luft ist entscheidend. Ein stickiges und heißes Raumklima führt zu Ermüdung, Trägheit und mehr Fehlern.

Maren Martschenko, freie Markenberaterin und Vorsitzende Digital Media Women, München

Meine Arbeitsbereiche sind vielfältig. Die Geräuschkulisse passe ich entsprechend an. Bei bestimmten Aufgaben kreiere ich mir bewusst eine Art Lieblingsatmosphäre, um mir die Arbeit schöner zu machen.

Bei meiner wöchentlichen Buchhaltung höre ich zum Beispiel bewusst schöne und entspannende Musik. Ich nenne es mein „Date mit dem Geld”. Bei der richtigen Atmosphäre fühlt es sich nicht wie eine lästige Tätigkeit an.

Der Lärm von Bohrmaschine oder Presslufthammer macht dagegen nichts schöner. Diese Geräuschkulisse kann ich gar nicht ausblenden und sie zehrt extrem an meinen Nerven. Bei der Arbeit mit Kunden ist mir wichtig, dass wir Ruhe um uns herum haben – sei es in Workshop-Räumen oder in virtuellen Meetings. Es ist entscheidend, dass dort der Schall innerhalb des Raums gut geschluckt wird.

Wenn ich konzentriert arbeiten will, um Konzepte zu erdenken oder Artikel zu schreiben, brauche ich ebenfalls Ruhe. Homeoffice ist meine Lösung dafür. Niemand um mich herum telefoniert oder spricht mich wegen eines Problems an. 

Als ich an meinem Buch gearbeitet habe, bin ich für die Arbeits-Sprints sogar je eine Woche in ein Kloster gefahren. Dort konnte ich wirklich frei von jeglicher Ablenkung an den Manuskripten arbeiten. Und das halbstündliche Bimmeln der nahegelegenen Schranke und die Kirchturmglocken hatten dabei etwas ganz Beruhigendes.

Relativ egal ist mir das Drumherum dagegen, wenn ich meinen Mail-Posteingang “abarbeite” oder wenn ich auf Social Media unterwegs bin. Das klappt im Café genauso gut wie im Zug oder im Großraumbüro. 

Um auf Bahnreisen gut arbeiten zu können, habe ich Noise-Cancelling-Kopfhörer. Sie neutralisieren sozusagen die Geräuschkulisse um einen herum. Und mit meiner Playlist, die ich extra auf das Arbeiten abgestimmt habe, kann ich auch unterwegs konzentriert arbeiten.

Maren Martschenko hat einen eigenen Marketing-Ansatz erfunden: Die Espresso-Strategie.