Das nachhaltige und bewusste Leben wird vielen Menschen im Alltag immer wichtiger. Nur in den Büros kommt der Trend noch nicht überall final an. Das ist eine Chance für Unternehmen und Architekten. Ein Plädoyer mit #3Learnings.
von Hannes Hilbrecht
Ökonomisch. Sozial. Ökologisch.
Die Definition des Nachhaltigskeitsbegriffs ist eigentlich einfach. Doch danach wird es kompliziert. Kaum ein Wort wird in den vergangenen Jahren so inflationär für so unterschiedliche Dinge benutzt wie "Nachhaltigkeit". Das Aufforsten eines Waldes ist nachhaltig. Das Investment in den koreanischen Hersteller von Waffeleisen soll eine nachhaltige Rendite versprechen. Und natürlich wird auch der neue Stürmer aus Kolumbien nachhaltigen Erfolg in der Fußballmannschaft bringen. Sätze, in denen einmal das Wort "Nachhaltigkeit" in irgendeiner Form vorkommt, sind gute Sätze. Der Begriff "Nachhaltigkeit" ist zu einem sogenannten "Buzzword" aufgestiegen.
Doch an einem Ort ist das Wort "nachhaltig" noch nicht so weit verbreitet: Wer nach Informationen, Case Studies oder Recherchen zum Thema "nachhaltige Büros" sucht, steht in einer Prärielandschaft, durch die kleine, aus den Western-Filmen bekannte, Heuballen rollen. Dabei gehört das Büro zu den zentralen Orten des zivilisatorischen Lebens. In Deutschland gibt es laut Angaben von Statista etwa 18 Millionen sogenannte Büro- und Bildschirmarbeitsplätze. Viele der Mitarbeiter verbringen täglich acht Stunden an ihren Schreibtischen. Das Büro ist also ein Ort von höchster gesellschaftlicher und menschlicher Relevanz – und eine Chance für Architekten. Denn das nachhaltige Büro ist für Unternehmen mehr als ein Gimmick oder ein Nice-to-have. Es ist ein Fortschritt, der viele Vorteile bringt: in der sozialen Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, der Umwelt und den eigenen Finanzen.
Sozial: Gesundheit der Mitarbeiter sollte Hauptinteresse sein
Ein nachhaltiges Büro fokussiert beispielsweise die gesundheitlichen Interessen der Mitarbeiter. Schlecht geplante Arbeitsplätze können nachweislich krank machen. Eine der häufigsten Gründe für Krankheit ist die Arbeitshaltung. Wer viel und falsch sitzt, beschädigt die Rückenmuskulatur. Außerdem wächst durch das Bewegungsdefizit im Büro so mancher Bauch, der sich samt Hemd über den Jeansbund wölbt.
Doch während diese Gefahrenquellen hinlänglich bekannt und analysiert sind, wird ein anderes, genauso großes Risiko noch immer unterschätzt: die negative Macht des Bürolärms in Räumen mit schlechter Akustik. Dieser verursacht nicht nur Rückenschmerzen (ja wirklich), sondern sorgt auch für Stress. Ein solch angespannter Gemütszustand begünstigt zahlreiche Erkrankungen. Dass Bürolärm massiven Stress verursachen kann, ist übrigens wissenschaftlich erwiesen. Die in Experimentalstudien nachgewiesenen Stresshormone im menschlichen Urin lügen nicht.
"Trotz der Erkenntnisse über die erwiesenen Auswirkungen schlechter Raumakustik wird sie von vielen Entscheidungsträgern leider noch immer allein als Kostenfaktor betrachtet", sagt Dr. Georg Wiesinger, einer der wichtigsten deutschen Raumakustiker. Wie wichtig Raumakustik ist? Das Einzelbüro stirbt nach und nach aus. Bereits 2017 arbeiteten laut einer Studie von Indeed nur noch gut ein Drittel der in Büros Beschäftigten für sich alleine. Großraumbüros liegen eindeutig im Trend. Mit ihnen kommt der Lärm. Der macht nicht nur krank, sondern auch unproduktiv. Dr. Wiesinger sagt: "Die dramatische Verschlechterung der Arbeitsleistung ist sicher teurer als die eingesparten Möbel- oder Baukosten."
Wirtschaftlich: Nachhaltige Büros sind zukunftsgewandt
Büros, in denen auf die Gesundheit der Mitarbeiter geachtet und Einflussfaktoren wie Lautstärke und Licht ernst genommen werden, sorgen nicht nur für positiv gestimmte Mitarbeiter. Sie reduzieren auch Kosten: Im Jahr 2017 fiel der durchschnittliche Beschäftigte in Deutschland fast 17 Tage aus. Das kostete die Unternehmen nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin geschätzte 76 Milliarden Euro.
Doch ist das "nachhaltige Büro" nicht nur ein Ort, der durch die Reduzierung von Krankentagen und Ausfallzeiten Geld sparen kann. Eine der am stärksten wachsenden Kostenfaktoren für Unternehmen sind die "Kosten-pro-Anstellung". Anders als vor einigen Jahren, als sich die Unternehmen die Mitarbeiter noch aussuchen konnten, ist es nun andersherum: Unternehmen bewerben sich bei den Bewerbern. Wer sein Unternehmen über Employer Branding entsprechend positiv inszeniert, kann unnötige Ausgaben vermeiden. Wer schlampt, zahlt pro Anstellung jedoch ordentlich drauf. "Unternehmen sollten verstehen, dass ein modernes Büro Wertschätzung ausdrückt. Wenn sie wollen, dass ihre Mitarbeiter alles geben, müssen sie die Umgebung dafür schaffen", sagt zum Beispiel die erfolgreiche Unternehmensberaterin Stefanie Peters auf inperspective.
Doch wie können Architekten dafür sorgen, dass von ihnen designte Arbeitswelten das Personal nachhaltig ansprechen? Der Blick in die Zukunft hilft. Die Generation Z zum Beispiel, die den Arbeitsmarkt nach und nach erobert, hat klare Vorstellungen von ihren zukünftigen Jobs – und davon, wie die künftigen Arbeitsplätze aussehen sollen. Nachhaltig, digital und mit vielen Freiheiten für die persönliche Entfaltung im Joballtag. Wer in den kommenden Jahren Arbeitswelten designt und dabei fokussiert, was der Nachwuchs in den Unternehmen möchte, gestaltet und plant Arbeitsplätze, die langfristig anziehend bleiben.
Ökologisch: Schon die Wahl der Möbel entscheidet über die Nachhaltigkeit
Auch gibt es bei der Generation Z eine Schnittmenge zur dritten tragenden Säule der Nachhaltigkeit: der ökologischen Verantwortung. Die sogenannten "Zs" glühen für dieses Thema. "Fridays For Future" hat den Planeten erobert wie lange keine Bewegung vor ihr. Die kommende Generation wird ihre Arbeitsplätze noch stärker ökologisch hinterfragen.
Dabei sind Möbel aus einer umweltschonenden Produktion, organisch hergestellte Farben und nachwachsende Baustoffe aus kontrolliertem Anbau wichtige Parameter für ein nachhaltiges Büro. Doch es geht nicht nur um die Herkunft der Materialien, sondern auch um die Dauer des Einsatzes in der jeweiligen Arbeitswelt.
Der umweltfreundlichste Schreibtisch bringt wenig, wenn er rasch wieder für den nächsten Design-Trend ausgetauscht wird. Die Langlebigkeit von Produkten ist eine der größten Triebfedern für eine nachhaltige Entwicklung von Büros. Dieser Prozess beginnt aber nicht auf den Schreibtischen der Architekten und Planer, sondern bereits in der Produktentwicklung der Hersteller. "Wir möchten nichts produzieren, das eigentlich ohne Zweck und Sinn ist und unsere Endkunden nur unnötige Ressourcen kostet. Wir haben als Unternehmen nichts gewonnen, wenn ein Möbelstück gekauft und relativ schnell wieder ausgetauscht wird", sagt Julianne Utz-Preußing, eine der Geschäftsführerinnen vom Büromöbelhersteller Palmberg. Dass die Kunden die Tische idealerweise zehn Jahre oder längen benutzen, ist für die Unternehmerin ein erstrebenswertes Ziel.
Ganz sicher ist das der entscheidende Schritt zu einem nachhaltigen Office: Arbeitswelten entwickeln und designen, die für eine sehr lange Zeit erfolgreiches Arbeiten möglich machen.