Der Unternehmer René Lund entwickelt im Süden Dänemarks ein System für grüne Bürowände. Diese bepflanzten Installationen sollen nicht nur die Mitarbeiter motivieren, sondern auch ein sichtbares Zeichen für gelebte Nachhaltigkeit in den Büros sein.
von Hannes Hilbrecht
Grüne Bürokonzepte boomen in der Welt. Üppig bepflanzte Büros sollen nicht nur für klare Luft in den Räumen sorgen, sondern auch die Mitarbeiter motivieren. René Lund, ein Unternehmer aus Dänemark, hat ein System entwickelt, mit dem Innenarchitekten aus kahlen Bürowänden Pflanzenmeere gestalten können. Doch ist das nachhaltig? Ein Gespräch.
inperspective: René, du hast eine Firma aufgebaut, die ein System entwickelt hat, mit dem Architekten und Planer lebendige grüne Wände errichten. Wie kommt man auf die Idee, Mauern mit Pflanzen zu verkleiden?
René: Wir haben uns 2011 das erste Mal für vertikale grüne Wände interessiert. Doch auch nach einer intensiven Untersuchung der bestehenden Angebote konnten wir kein vertikales "Grünwandsystem" finden, das sicher, einfach und umweltfreundlich ist, und in dem die Pflanzen ihre normale Entwicklung fortsetzen. Es gab kein System, das sicherstellte, dass die grünen Wände jahrelang halten.
inperspective: Ihr habt also eine Marktstudie gemacht. Was war euer nächster Schritt?
René: Wir haben unsere eigene Lösung für natürliche Grünwände entwickelt. Das Ergebnis ist ein einzigartiges Konstrukt, das sich an Architekten und Bauherren richtet. Diese können das einfache System für ihre Kunden integrieren und regelmäßig warten. Natürlich mit unserer Hilfe.
inperspective: Nun gibt es verschiedene Anbieter, die diese Systeme produzieren. Warum entscheiden sich Unternehmen für euer Produkt?
René: Wir sind regional. Unsere Lösung wird vollständig in Dänemark hergestellt. Außerdem verwenden wir nachhaltige und recycelte Materialien. Unsere Produkte sind flexibel und leicht installierbar und 100 Prozent wasserdicht.
inperspective: Der Prozess, so ein System zu entwickeln, ist aus der Sicht von Ingenieuren sicher spannend. Aber was war euch abseits der Technologie bei der Entwicklung eines nachhaltigen Produktes wichtig?
René: Einer unserer Schwerpunkte ist es, einen möglichst geringen Wasser- und Energieverbrauch zu generieren. Wir wollen unseren ökologischen Fußabdruck minimieren. Das ist für unsere Kunden sehr wichtig. Alles in allem haben wir ein zuverlässiges, nachhaltiges und umweltfreundliches System für grüne Wände aus Pflanzen entwickelt.
inperspective: Was sind die Vorteile von grünen Mauern?
René: Die Vorteile von grünen Wänden sind sowohl mental als auch physisch offensichtlich. Physisch, weil Pflanzen die verschmutzte Luft reinigen und die Qualität verbessern. Außerdem wirken sie lärmdämmend. Diese Effekte werden bei der Installation einer grünen Wand vervielfacht, da wir viele Pflanzen auf einer kleinen Fläche platzieren. In unseren System verwenden wir etwa 30 Pflanzen pro Quadratmeter.
inperspective: Wie wirken Pflanzen auf die mentale Gesundheit der Mitarbeiter?
René: Der mentale Aspekt ist äußerst wichtig! Pflanzen machen uns kreativer und produktiver. Ein kreatives Umfeld weckt unseren Ideenreichtum. Und es ist, wie gesagt, eine bekannte Tatsache, dass Pflanzen die Luft säubern. Weil wir also wissen, dass Pflanzen die Luft reinigen, empfinden wir sie automatisch als sauberer. Und vielleicht sogar noch viel sauberer, als sie tatsächlich sind. Ich will Pflanzen aber nicht als Placebo bezeichnen, weil sie einen messbaren Effekt auf das Raumklima haben. Aber wenn wir an etwas wirklich glauben, fühlen wir es oft deutlich stärker.
inperspective: Jetzt kennen wir den Prozess der Photosynthese: Aus CO2 wird unter anderem Sauerstoff gebildet. Verbessern Pflanzen die Luftqualität in den Räumen auch messbar?
René: Das tun sie! Die NASA hat vor vielen Jahren eine Studie dazu durchgeführt, um die Auswirkungen von Pflanzen auf Verschmutzungen durch Formaldehyd, Benzol, Ammoniak, Xylol und Trichlorethylen zu testen. Die Ergebnisse zeigen, dass einige Pflanzen verschiedene Verunreinigungen in der Luft filtern können. Im Moment testen wir unsere eigenen grünen Wände sowohl in einer Schule als auch in einem geschlossenen Testlabor. Die ersten Ergebnisse sind sehr positiv.
inperspective: Unsere vierte Edition behandelt das Thema "Nachhaltigkeit der Arbeitswelten". Warum sind Wände aus Pflanzen nachhaltig?
René: Grüne Wände aus Pflanzen symbolisieren Nachhaltigkeit. Wenn Menschen ein Unternehmen mit einer grünen Wand besuchen, verbinden sie die Firma sofort mit grünen Lösungen. Aber eigentlich ist das eine knifflige Frage, denn nicht alle Pflanzenwände sind nachhaltig. Wenn wir ein billiges System kaufen, das in China mit schlechten Materialien hergestellt, nach Deutschland geflogen und dann mit exotischen Pflanzen bepflanzt wird, die in einer grünen Wand nicht gedeihen, dann ist diese grüne Wand nicht nachhaltig!
inperspective: Was müssen Unternehmen bedenken?
René: Sie müssen Produkte kaufen, die außen UND innen grün und nachhaltig sind! Deshalb haben wir Natural Greenwalls gegründet. Wir konnten, wie gesagt, kein grünes Wandsystem finden, das wirklich nachhaltig ist. Also aus nachhaltigen Materialien gefertigt wird, einen geringen Wasserverbrauch aufweist und optimalen Wachstumsbedingungen für die Pflanzen bietet. Also haben wir uns selber eigene Gedanken gemacht.
inperspective: Ich stelle mir das trotzdem schwierig vor, eine solche Pflanzenwand langfristig zu erhalten. Wie stellst du sicher, dass diese grünen Wände nicht verblassen, weil die Pflanzen sterben?
René: Wir verwenden lebende Pflanzen. Bei allem, was lebt, gibt es Herausforderungen. Deshalb arbeiten wir zum Beispiel mit professionellen Gärtnern in ganz Deutschland zusammen. Diese kümmern sich um die Pflanzen, und wenn die Unternehmen eine Vereinbarung mit einem professionellen und von uns qualifizierten Gärtner haben, bieten wir eine lebenslange Garantie auf unser System.
inperspective: Welche Pflanzen sind generell für das Büro geeignet?
René: Wir haben 40 verschiedene Pflanzenarten in unseren grünen Mauern zur Auswahl, von denen zehn häufiger genutzt werden als andere. Wir verwenden in der Regel Pflanzen, die einen großen Nutzen für die Akustik oder das Raumklima haben. Deshalb empfehlen wir Pflanzen wie Alokasie Polly, Epipremnum Pinnatum, Epipremnum Neon, Monstera Deliciosa und Asplenium Nidus.
Mit diesen und weiteren Gewächsen erhalten wir eine Mischung aus farblich prächtigen Arten und Pflanzen, die eine fühlbare Wirkung auf das Büro (Akustik und Luftverschmutzung) erzielen.
inperspective: Gibt es Pflanzen, die fälschlicherweise oft in Büros platziert werden?
René: Es ist eher ein grundsätzliches Problem. Pflanzen leben und sie müssen optimale Bedingungen bekommen, um zu gedeihen. "Optimale Bedingungen" sind jedoch von Büro zu Büro individuell. Weil viele Planer genau das nicht erkennen, werden viele Pflanzen falsch platziert.
inperspective: Welchen Tipp kannst du Architekten für die Begrünung des Büros geben?
René: Wenn Unternehmen eine grüne Wand wollen, die sowohl am ersten Tag als auch im fünften Jahr noch schön ist, müssen sie sich an Fachleute für Pflanzen wenden. Diese können die ideale Auswahl für die entsprechenden Räume am besten festlegen. Außerdem installieren wir typischerweise Grow Light, um sicherzustellen, dass die Pflanzen unter optimalen Bedingungen gedeihen. Dieses "Wachstumslicht" imitiert die idealen Lichtverhältnisse für die Photosynthese. Das ist gut für die Langlebigkeit der Pflanzen.
inperspective: Wir wissen: Das Pflanzen von Bäumen ist gut für die Umwelt und ein wichtiger, neuer Trend. Haben Pflanzenwände auch positive Auswirkungen auf die Umwelt – oder sind sie vor allem gut für das Gewissen?
René: Die Auswirkungen auf die Umwelt sind gering – wenn sie überhaupt vorhanden sind. Die CO2-Menge, die von Büropflanzen in Sauerstoff umgewandelt wird, ist niedrig. Es geht bei grünen Wänden oder einer üppigen Bürobepflanzung aber eher um das Signal, das Unternehmen mit ihnen senden. Kunden und potenzielle Mitarbeiter können nicht sofort sehen, ob die Unternehmen Regenwasser wiederverwenden oder Solarzellen auf dem Dach nutzen. Aber sie sehen einen grünen Innenraum. Und dieser grüne Innenraum kann ein Anstoß für ein Gespräch über all die anderen nachhaltigen Initiativen sein, die das Unternehmen bereits durchführt.