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Ausgleich beginnt am Arbeitsplatz

Karla Dreher betreut als Feng Shui-Beraterin namhafte Kund:innen.

Die Anforderungen an das Büro haben sich gewandelt. Was früher nur ein Ort zum Arbeiten war, soll heute einen Mehrwert bieten und verschiedenste Bedürfnisse erfüllen. Wie das gelingt, erklärt Raumpsychologin und Einrichtungsberaterin Karla Dreher.

von Kevin Berg

inperspective: Frau Dreher, was können wir unter Raumpsychologie verstehen?

Karla Dreher: In der Raumpsychologie beschäftigen wir uns mit der Wirkung eines Raumes auf den Menschen. Was passiert mit uns, wenn wir einen Raum betreten oder uns darin aufhalten? Unsere Wahrnehmung setzt sich aus verschiedensten Aspekten zusammen. Zum Beispiel aus den Farben, den verwendeten Materialien oder den Lichtquellen. Diese nehmen wir visuell und intuitiv wahr. Im Zusammenspiel mit der Wahrnehmungspsychologie und der Neurologie betrachten wir, wie unser Gehirn diese Einflüsse verarbeitet.

inperspective: Büros, die verschiedene Bedürfnisse erfüllen, kommen besonders in großen Unternehmen immer häufiger vor. Warum wollen Firmen eindimensionale Räume unbedingt vermeiden?

Karla Dreher: Sie können uns in unserer Produktivität hemmen. Das fängt schon bei der Deckenhöhe an. Niedrige Decken können beispielsweise die Kreativität bremsen. Wenn ein Büro schon in der Wahrnehmung einengend wirkt oder die Arbeit blockiert, weil es nur Schreibtisch an Schreibtisch reiht, beeinflusst uns das bereits. Bietet es keine Rückzugsmöglichkeiten oder Bereiche zur Erholung, haben wir keine Chance, Stress abzubauen. Das kann sich langfristig auf die Gesundheit auswirken und dazu führen, das Mitarbeiter:innen sich häufiger krank melden.

inperspective: Wieso ist es in der modernen Arbeitswelt sinnvoll, dass ein Raum mehrere Bedürfnisse erfüllt?

Karla Dreher: Besonders in Zeiten des Homeoffice ist es wichtig, dass das Büro nicht nur der Ort zum Arbeiten ist. Es braucht Möglichkeiten zur Interaktion mit Kolleg:innen. Das kann eine Kaffeeecke sein oder ein Bereich mit bequemen Sitzmöbeln. Gleichzeitig sollte es bei Bedarf aber auch Privatsphäre ermöglichen und einen Ort bieten, an dem jede:r ungestört telefonieren kann. Das lockt Mitarbeiter:innen zurück ins Büro und schafft eine starke Bindung zum Unternehmen. 

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Hohe Decken lassen Raum für kreative Phasen.

inperspective: Warum ist eine starke Beziehung zwischen Firma und Mitarbeitenden wichtig?

Karla Dreher: Wir verhindern so eine zu hohe Fluktuation in der Belegschaft. Heutzutage geht es nicht nur darum, an einem bestimmten Ort zu arbeiten. Mitarbeiter:innen wollen einen Mehrwert im Büro wahrnehmen. Wer sich einen Job sucht, will nicht irgendwohin, sondern auch etwas geboten bekommen und Wertschätzung spüren. Diese können Firmen bereits mit Kleinigkeiten erzeugen, zum Beispiel mit einem Frühstücksraum oder frischem Obst.

inperspective: Wie können Unternehmen Wertschätzung noch ausdrücken?

Karla Dreher: Sie sollten am Arbeitsplatz beginnen, da die Mitarbeitenden dort die meiste Zeit verbringen. Die Aspekte Erholung und Arbeit lassen sich bereits am Schreibtisch kombinieren. Schon die Positionierung im Raum ist entscheidend. Menschen sehnen sich nach Sicherheit und wollen sich trotzdem nicht ausgeschlossen fühlen. Ecken, die durch Wände begrenzt werden und gleichzeitig einen Blick in den Raum und zur Tür gewähren, sind prädestinierte Bereiche für Arbeitsplätze. 

Wenn wir in ein Restaurant gehen, bevorzugen wir häufig Tische, an denen wir den Überblick behalten und nicht dauerhaft andere Gäste an uns vorbeilaufen. Das sind keine Verhaltensweisen, die wir sonderlich beeinflussen können. Sie sind intuitiv und in unserer DNA verankert.

inperspective: Der Ort ist das Eine. Aber wie sieht es am Schreibtisch selbst aus?

Karla Dreher: Die verwendeten Materialien können dem Büro einen Mehrwert geben. Holz wirkt auf Menschen sehr entspannend und kann beim Stressabbau helfen. Pflanzen erzeugen innerhalb eines Raumes das Gefühl von Nähe zur Natur. Sie verbessern das Raumklima und beschleunigen die Erholung, was sich positiv auf die Gesundheit und Produktivität der Mitarbeiter:innen auswirkt. Eine Kaffeeecke, ein Tischkicker oder ein Stehtisch mit Hockern für den lockeren Plausch mit Kolleg:innen sind ein Bonus und verstärken den Erholungseffekt noch. Wenn Unternehmen die Möglichkeit haben, ist es sinnvoll, dass Büros unterschiedliche Settings zur Entspannung anbieten. Dann haben die Mitarbeiter:innen die freie Wahl, welche Angebote sie nutzen wollen.

Kantine und Wohnzimmer: Im Berliner Büro der Cowomen gibt es verschiedene Rückzugsorte – häufig sogar in einem Raum.

inperspective: Welche Vorteile bietet ein flexibel nutzbarer Raum noch?

Karla Dreher: Er macht uns produktiver und leistungsfähiger. Bietet ein Büro neben dem Platz zum Arbeiten auch Rückzugsmöglichkeiten, hilft uns das, abzuschalten und neue Energie zu tanken. Besonders bei Unternehmen mit hohen Umsatzzielen kann das langfristig den Erfolg beeinflussen. Außerdem kann ein flexibel nutzbarer Raum unsere Kommunikation fördern. Wenn wir zu nah an unseren Kolleg:innen sitzen, tauschen wir uns seltener aus. Besser ist etwas Abstand. Dann ist der Arbeitsplatz vor allem Rückzugsort und bietet trotzdem die Möglichkeit, mit anderen zu kommunizieren.

inperspective: Welche Bedürfnisse und Wünsche wollen Kund:innen Ihrer Erfahrung nach den Mitarbeiter:innen erfüllen?

Karla Dreher: Besonders große Unternehmen, die das nötige Budget haben, konzentrieren sich nicht nur darauf, ihr Büro modern zu gestalten. Sie wollen ihren Mitarbeiter:innen einen Ausgleich bieten. Dieser Prozess findet bei einigen bereits statt. Manche haben ein Gym im Haus, in dem ihre Mitarbeiter:innen in der Pause oder nach der Arbeit trainieren können. Andere unterhalten Räume für das entspannte Zusammenkommen nach dem Feierabend. Wer in der aktuellen Zeit aus dem Homeoffice zurück ins Büro kommt. Zudem steigert es unsere Leistung, wenn wir uns wohlfühlen. Dieses Potenzial erkennen Firmen immer häufiger. Sie gestalten ihre Räume so, dass diese Arbeit und Erholung vereinen.

inperspective: Wie wird sich die Nutzung des Büros in Zukunft verändern?

Karla Dreher: Es wird eine Hybrid-Nutzung geben. Wir arbeiten zeitweise im Homeoffice, dann wieder im Büro. Ich kann es nur wiederholen: Ein Arbeitsplatz muss Mehrwert bieten. Das verschafft Unternehmen einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Wenn dieser gegeben ist, wollen die Mitarbeiter:innen sogar zurück in die Büros. Die sozialen Interaktionen sind sehr wichtig für uns und beeinflussen unsere Stimmung dauerhaft. Ein Plausch auf dem Flur oder beim gemeinsamen Kaffee bietet eben nur das Büro.

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