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Was Räume können – und Menschen nicht

Der Berliner Cube gilt als Bauwerk der Zukunft.

Mehrere Prozesse gleichzeitig kann unser Gehirn nicht bewältigen, Büros machen das mit links. Dabei kombinieren sie ihre Aufgaben auf ganz unterschiedliche Weisen. Wir stellen fünf Beispiele vor, wie Multitasking in Räumen funktioniert und erklären, warum der Mensch es nicht einmal versuchen sollte.

von Kevin Berg

Menschliches Multitasking gibt es nicht. Das fanden Wissenschaftler:innen bei Tests mit Harvard-Studierenden heraus. Bei dem Versuch, mehrere komplexe Aufgaben gleichzeitig zu lösen, fiel ihre Gedächtnisleistung auf das Level eines achtjährigen Kindes. Gebäude oder Büros hingegen vereinen Arbeit und Entspannung, nutzen Flächen effizient mehrfach oder erfüllen mit wenigen Veränderungen einen neuen Zweck. Multitasking-Konzepte sind die Zukunft. Schon heute kreieren Planer:innen Räume für multifunktionale Nutzung, die variabler kaum sein könnten. 

Multifunktionaler Glaswürfel

Auf den ersten Blick wirkt das Gebäude skurril. Hinter der funkelnd gläsernen Fassade verbirgt sich jedoch das wohl intelligenteste Bürogebäude Europas: Der Cube Berlin, geschaffen von dem dänischen Architekturbüro 3XN. Das Gebäude vereint Nachhaltigkeit mit Funktionalität. Jedes der zehn Geschosse lässt sich individuell gestalten – als gesamte Bürofläche, in separate Einheiten unterteilt, sogar stockwerkübergreifend. Durch offene Geschossverbindungen lassen sich bis zu vier Stockwerke für 400 Personen zusammenzufassen. Die smarte Ausstattung des Gebäudes beinhaltet beispielsweise einen per App gesteuerten Fahrstuhl oder die Möglichkeit, mithilfe von 3.800 Sensoren den Arbeitsplatz von Mitarbeitenden über das Smartphone zu finden. Beschichtete Scheiben verhindern ein Aufheizen der Räume und die Energie der Sonne wird genutzt, um die zugeführte Frischluft zu kühlen. Das Architekturbüro entwickelte nicht nur ein Gebäude, sondern neue Wege für die Zusammenarbeit der Zukunft.

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Wandelbare Möbel

Multifunktionalität bereichert den Büroalltag. Platzmangel macht die Mehrfachnutzung von Räumen sogar unverzichtbar – und das nicht nur im Job. Auch in Wohnhäusern gibt es immer weniger Fläche. Tiny Houses bieten seit einigen Jahren eine Alternative. Die kleinen Behausungen begeistern durch die effiziente Nutzung von minimalem Wohnraum. Schon in den 1920er-Jahren bauten Menschen ihre Häuser im Kleinstformat auf Autos. Heute sind die Tiny Houses deutlich komfortabler und innovative Raumwunder. Schubladen, die als Stufen fungieren. Eine Sitzecke, die zum Schlafplatz wird. Der Designer Nils Holger Moormann kombinierte ein Sofa für zwei und ein Bücherregal zu einer kompakten Leseecke. „Lebe+Lese“ heißt das Möbelstück. In Schubfächern unter der Sitzfläche verstecken sich bequeme Fußablagen. In Deutschland ist es noch nicht gestattet, in einem Tiny House zu leben, die platzsparenden Ideen überzeugen aber schon jetzt.

Dynamische Lounge

Ein Grund zum Schreien ist Zalandos Büro wahrlich nicht – und wenn, dann vor Freude. 2016 beendete DIA (Design In Architektur) mit der Einrichtung der Räumlichkeiten die Sanierung des Gebäudes in Berlin Kreuzberg. Die Großraumbüros offenbaren kreative und räumliche Entfaltung, durch einmodulares System lassen sie sich individuell strukturieren. Aber auch an schallgeschützte Nischen zum fokussierten Arbeiten und ungestörte Bereiche für Meetings und Besprechungen wurde gedacht. Trennmöbel schaffen Privatsphäre, ohne abgrenzend zu wirken. Den Ausgleich zur Arbeit bilden ein Kickertisch und eine große, kommunikative Küche. Die Dynamik und multifunktionale Nutzbarkeit der Bürofläche wurde 2017 mit dem 2. Platz des Publikumspreises beim Heinze-Architektenaward ausgezeichnet. 

Büros beherrschen Multitasking. Menschen nicht.

Historisches Multitasking

Das Amerikahaus in München wurde 1957 nach Plänen der Architekten Franz Simm und Karl Fischer erbaut. Multifunktional war an dem Gebäude damals nichts. In der kulturellen Begegnungsstätte fanden Lesungen, Vorträge und Diskussionen statt, die Besucher:innen die Demokratie am Beispiel der USA näher bringen sollten. 2016 sanierte das städtische Bauamt das Gebäude. Heute vereint die Kulturinstitution Stile verschiedener Epochen, in die durch multifunktionale Technik und Nutzungsmöglichkeiten die Moderne integriert ist. Das Highlight des Gebäudes ist der ehemalige Kinosaal. Moderne Bühnen- und Lichttechnik sowie die verbesserte Akustik erlauben nun Theateraufführungen, Konzerte und Ausstellungen. Für die flexible Nutzung tauschte man die feste Bestuhlung gegen eine freie Möblierung. 

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Wandelbare Möbel entscheiden manchmal darüber, wie flexibel Mitarbeitende ein Office nutzen können.

Menschliches Multitasking

Was in Büros für ein Gefühl der Freiheit sorgt, ist für den Körper purer Stress . Amerikanische Wissenschaftler fanden heraus, dass das menschliche Gehirn maximal zwei Aufgaben gleichzeitig bewältigen kann. Wer telefoniert, dem Fernsehprogramm folgt und nebenbei Ordnung in der Wohnung macht, senkt die Leistungsfähigkeit des Gehirns um bis zu 40 Prozent.  Das Herz schlägt schneller, der Atem wird flacher – wir sind schlicht überfordert. Was wir unter Multitasking verstehen, ist in Wahrheit nur ein rasanter Wechsel zwischen einzelnen Tätigkeiten. Wissenschaftler empfehlen daher, Aufgaben nacheinander zu erledigen – das minimiert auch die Gefahr von Fehlern. Multitasking funktioniert nur, wenn mindestens eine der Tätigkeiten automatisch abläuft. So gelingt es beim entspannten Spazieren zu telefonieren. Findet dieses Telefonat jedoch über eine Freisprechanlage beim Autofahren statt, leidet die Konzentration. Eine Studie ergab, dass nur ein minimaler Teil der Menschheit in der Lage ist, solch komplexe Aufgaben problemlos zu meistern – die sogenannten Supertasker:innen.