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"Die Funktionalität darf niemals leiden"

Nicole Eggert (l.) und Julianne Utz-Preußing leiten die Geschicke bei Palmberg.

Nicole Eggert und Julianne Utz-Preußing übernehmen in den kommenden Jahren die Geschäfte des Büromöbelherstellers Palmberg. Es ist ein Generationenwechsel. Wie sie die Zukunft im Büro mitgestalten – ein Smalltalk.

von Hannes Hilbrecht

inperspective: Nicole und Julianne – ihr führt das Unternehmen Palmberg. Eure Väter hatten das Unternehmen einst gegründet. Wie definiert ihr Palmberg im Jahr 2019?

Nicole Eggert: Wir sind ein bodenständiges Familienunternehmen, das mit Qualität und Service überzeugen will. Familienunternehmen heißt für uns: Wir denken nicht nur an unsere Kunden, sondern auch an unsere Mitarbeiter. Sie sind für die hochwertigen Produkte und unser Wachstum mitverantwortlich. Das "Wir" ist uns extrem wichtig. 

Julianne Utz-Preußing: Ich war als Kind fasziniert, wie sich alle Angestellten, egal in welchem Job sie im Werk tätig waren, in die Arbeit reinknieten. Es wurde gemeinsam angepackt. Heute gehe ich 25 Jahre später durch die Werkhallen und das Gemeinschaftsgefühl ist immer noch dasselbe. Auch die jungen Kollegen leben unsere Firmen-DNA. Das macht mich glücklich. Wir werden diese Kultur weiter vorleben und erhalten.

inperspective: Auf Familienunternehmen wie Palmberg rast der Wandel zu. Nicht nur Jobs und Arbeitnehmer werden sich mittelfristig verändern, sondern auch Büros, in denen wir kollaborieren. Wie reagiert ein Büromöbelhersteller darauf?

Julianne: Wir bündeln viele Ressourcen in Forschung und Weiterentwicklung. Unsere Mitarbeiter reisen durch Deutschland und besichtigen Büros in unterschiedlichen Branchen. Wir wollen direkt vor Ort sehen und hören, was die Kunden benötigen. 

Nicole: Palmberg ist ein Unternehmen, das Lösungen für akute und langfristige Probleme findet. Doch Nöte müssen wir Produzenten erstmal erkennen. Wir profitieren deshalb sehr von den Architekten und Fachhändlern, die noch näher am Endkunden sind. Sie liefern sehr oft die richtigen Impulse. 

inperspective: Nun können Unternehmen auf Marktveränderungen warten oder sie aktiv gestalten. 

Nicole: Beides ist wichtig: auf Kundenwünsche reagieren, aber gleichzeitig selbst Lösungen und Entwicklungen vorantreiben. Wir möchten die Büros zu einem gesünderen und produktiveren Ort machen. Was beim ergonomischen Sitzen am Tisch beginnt, wird auch von Licht und Akustik beeinflusst. Es wird lauter in den Büros. Die Menschen kommunizieren mehr. Doch Lärm mündet für die Mitarbeiter in Stress. Er strapaziert die Nerven und beeinträchtigt die Leistung. Beim Thema Akustikoptimierung haben die Unternehmen extrem viel Potenzial.

Nah am Wasser gebaut: Das Werksgelände ist nur wenige Kilometer vom Ostseestrand entfernt.

inperspective: Was ist die größte Herausforderung, wenn Unternehmen wie Palmberg Marktveränderungen mitgestalten möchten?

Julianne: Nicht jedem der vielen Trends blind hinterherzulaufen. Wir möchten nichts produzieren, das eigentlich ohne Zweck und Sinn ist und unsere Endkunden nur unnötige Ressourcen kostet. Wir wägen also ab: Unterstützt das Element die Mitarbeiter in ihrem Alltag und dies auf Dauer oder ist das Produkt nur eine kurzfristige, schöne Spielerei, die schnell wieder entsorgt wird. 

Nicole: Wie die Architektin Ines Lege in ihren 3Learnings erläutert, müssen wir Möbel entwickeln, die sich möglichst flexibel und nachhaltig an die persönlichen Bedürfnisse anpassen lassen. Nur so kann jeder Mitarbeiter oder jedes Team den vorhandenen Raum ideal für sich nutzen.

inperspective: "Nachhaltigkeit" ist gerade ein Buzzword. Jeder will nachhaltig sein. Wie definiert ihr dieses Thema?

Julianne: Erfolgreiche Familienunternehmen wirtschaften effizient, weil sie jede Entscheidung aus nachhaltigen Motiven heraus treffen. Dass wir unnötige Ausgaben und Anschaffungen vermeiden, auf unsere Umwelt achten und unsere Mitarbeiter schätzen – das ist seit Jahrzehnten die Basis für unser Wachstum und die wirtschaftliche Stabilität. Wir können es uns gar nicht leisten, nicht nachhaltig zu arbeiten.

inperspective: Warum sind Palmbergs Möbel nachhaltig?

Nicole: Unsere Tische sind ein gutes Beispiel. Dass wir unsere Modelle langfristig beibehalten und weiterentwickeln, ist ein nachhaltiger Service-Gedanke. Im Schnitt stehen unsere Tische fast ein Jahrzehnt in den Büros. Sie sind sehr robust. Unsere Kunden schätzen es, wenn sie die gleichen Modelle auch in fünf Jahren nachbestellen können. 

Julianne: Wenn ein Schreibtisch so lange aktuell ist, spricht das ja für Design, Funktionalität und Technik des Produktes. Und viele Anpassungen, die unsere Modelle noch langlebiger machen, Materialinnovationen zum Beispiel, sind manchmal auf den ersten Blick schwer zu erkennen. 

Nicole Eggert (re.) und Julianne Utz-Preußing besichtigen fast täglich die Werkhallen. Die Nähe zur Produktion ist beiden wichtig.

inperspective: In Großstadt-Büros werden Flexdesks, also Schreibtische, die sich mehrere Mitarbeiter teilen, immer beliebter. Das muss einen Büromöbelhersteller doch stören, wenn einige Unternehmen künftig weniger Tische brauchen.

Julianne: Für Unternehmen mit sehr vielen Mitarbeitern, die selten am Schreibtisch sitzen, sind Shared-Desks natürlich eine Alternative. Auch weil die Zusammenarbeit in offenen Räumen immer wichtiger wird. Und in den enger werdenden Städten ist die effektive Nutzung von Tischen oft die einzige Chance, den Platz für Open Space zu schaffen. 

Nicole: Wir haben aber nicht nur positive Erfahrungen mit diesem Konzept gemacht. Unsere Überzeugung ist eine andere: Jedes Unternehmen sollte seine Mitarbeiter so schätzen, dass es für jeden einen eigenen Arbeitsplatz bereithält. Das ist der Rückzugsort, den jeder Arbeitnehmer fast täglich braucht. Und bei unseren Researches haben wir zwei Probleme des Flexdesk-Konzepts immer wieder festgestellt: Die Mitarbeiter kommen gestresst oder früher ins Büro, weil sie ihren Lieblingsplatz unbedingt sichern möchten. Und sehr oft richten sie sich ohnehin wieder einen Stammplatz ein.

inperspective: Welche Veränderungen beobachtet ihr besonders interessiert?

Nicole: Wir finden die Studien und Berichte über die Generation Z spannend, vor allem die deutlichen Unterschiede zur vorangegangenen Generation Y. Die "Zs" wollen wieder eine klare Abgrenzung. Der Arbeitstag soll mit dem Feierabend im Büro enden. Die Bedürfnisse an die Büromöbel unterscheiden sich ebenfalls signifikant.

Julianne: Diese jungen Menschen mögen es bunter und flexibler. Sie sehnen sich nach Abgrenzung und sind, und das ist nicht negativ gemeint, eher egoistisch veranlagt. Sie halten wenig von Sharing-Modellen. Der klassische, einheitliche und eher graue Look eines Büros ist für sie sehr unattraktiv. 

inperspective: Wie werden sich die Bedürfnisse der Generation Z auf das Interieur in den Büros auswirken?

Julianne: Die jungen Menschen, die nach und nach auf den Arbeitsmarkt drängen, sind mit Smartphone, Tablet und Laptop aufgewachsen. Sie sind Digital Natives. Sie speichern Dokumente und Fotos in Clouds, nicht in Ordnern. Dass der Bedarf an Stauraum durch die Digitalisierung sinkt, ist eine logische Folge. 

Nicole: Unsere Büromöbel, die so funktional bleiben wie die bisherigen Modelle, werden in Zukunft mehr Wärme und Individualität ausstrahlen. Die Menschen in den Büros sollen mit Palmberg-Möbeln ihre eigene Wohlfühlzone gestalten können.

Ein wechselseitiges Regalsystem schafft Platz. Künftig sollen die Möbel noch wohnlicher werden.

inperspective: Was ist der häufigste Fehler bei der Büroplanung?

Nicole: Auf professionelle Planung komplett zu verzichten. Unternehmen sollten nicht zehn Tische und Schränke im Onlinehandel ordern und sie einfach in die Büros stellen. Die räumliche Anordnung der Möbel ist entscheidend. Wir müssen zum Beispiel Abstände und Fenster berücksichtigen. Eine individuell auf die Bedürfnisse und Arbeitsweise der Mitarbeiter abgestimmte Büroplanung ist essentiell. Besonders die Akustik leidet, wenn Firmen bei der Planung sparen. 

inperspective: Wie können Unternehmen die Lautstärke in den Büros regulieren?

Julianne: Es gibt keine Pauschallösungen. Wir arbeiten bei unseren Büroprojekten häufig mit Experten zusammen. Diese berechnen den genauen Produktbedarf und die Bereiche, wo die Akustikelemente platziert werden müssen. Auf unserer Website bieten wir Kunden einen kostenlosen Akustik-Konfigurator an, der eine große Unterstützung in der Planungsphase ist.  

inperspective: Ein Akustikprodukt ist besonders auffällig. Ein Raumtrenner, der aussieht wie eine riesige Scheibe. Dazu gibt es bestimmt eine interessante Story. 

Julianne: Die DISC war ein Produkt, das anfangs sehr kontrovers diskutiert wurde ... 

Nicole: ... das stimmt. Wir besprechen solche Ideen immer in großen Runden. Die eine Hälfte war dafür, die andere dagegen. Die DISC trennte quasi schon die Menschen, ehe es sie gab.

inperspective: Ein klassisches Patt. 

Julianne: Wir bauten zunächst einen Prototypen. Danach gab es immer noch sehr gemischte Gefühle. Also testeten wir die DISC auf einer Messe und sahen, wie gerne die Besucher sie hin und her rollten. Dass dieses Produkt sogar akustisch wirkt, hat viele positiv überrascht. Am Ende war die Messe ein guter Test, um zu sehen, wie nachhaltig die DISC funktioniert. Wie oft können wir sie bewegen, ohne dass das Material schwächelt? Das ist ja bei Designmöbeln häufig ein Problem. Wir finden: Die Funktionalität darf niemals leiden. Auch nicht für ein hippes Design.

Nicole: Die DISC ist ein gutes Beispiel, wie wir Produkte heute entwickeln. Sie ist gleichzeitig Raumtrenner und Akustikelement– und ganz wichtig: mobil einsetzbar.

inperspective: Im Gegensatz zu herkömmlichen Büromöbeln ist die DISC bunt und modern. Eingangs sprachen wir über die DNA von Palmberg. Bunt und modern – die Begriffe fielen nicht.

Nicole: Wir werden bunter und mutiger. Allerdings ohne unsere Werte wie Bodenständigkeit und Qualität zu vernachlässigen. Bunt und modern wollen wir nicht nur für unser Image sein, sondern vor allem für unsere Kunden. 

Julianne: Ich würde gerne noch das Wort "kommunikativer" ergänzen. Wir werden in Zukunft noch häufiger die Gespräche mit Mitarbeitern, Fachhändlern, Architekten und Endkunden suchen. Wir wollen neue Perspektiven erschließen. Das ist auch ein Grund, warum wir uns mit inperspective spannenden Themen wie der Generation Z, Nachhaltigkeit und Akustik noch intensiver widmen möchten. Wir wollen nicht nur die Leser, sondern auch uns mit neuem Wissen und neuen Erfahrungen versorgen. Palmberg wird in Zukunft noch mehr gestalten. 

Kein Renner, sondern ein Roller. Die DISC ist ein mobiler Raumtrenner und Schallabsorbierer.