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Swantje Allmers: »Diese Unternehmen müssen ihre Büros hinterfragen«

Swantje Allmers nutzt die Alleinarbeit zur Konzentration und zum Krafttanken

Die hybride Arbeit gilt als das Zukunftskonzept. Doch noch hadern Unternehmen mit Kinderkrankheiten. Woran es hapert – und was die Kernbotschaft eines Büros sein sollte? Diese Fragen beantwortet New-Work-Expertin Swantje Allmers im Interview mit inperspective.

von Hannes Hilbrecht

inperspective: Swantje, alles, was du über New Work schreibst und sagst, ist in der Szene relevant. Was viele nicht wissen: Wie du selbst am liebsten arbeitest.

Swantje Allmers: Je nach Thema gern mal für mich allein. Obwohl mein Geschäftspartner Michael und ich uns ein großes Büro am Hamburger Mittelweg teilen, nutze ich noch oft meinen alten Arbeitsplatz. Der liegt direkt gegenüber meiner Wohnung. Da kann ich mich am besten konzentrieren. In anderen Situationen – zum Beispiel gemeinsames konzipieren – arbeiten wir gerne in unserem Büro zusammen. Auch suche ich in einigen Phasen ganz bewusst das soziale Miteinander. Zusammengefasst: Ich schätze die freie Wahl über meine Arbeitsumgebung.

inperspective: Dient die Alleinarbeit nur deiner Konzentration?

Swantje: Mir hilft das Alleinsein beim Krafttanken. Wenn mir das auf Dauer fehlt, werde ich irgendwann unleidlich. Und davon hat niemand etwas.

New-Work-Expertin Swantje Allmers

inperspective: New Work bedeutet zusammenrücken. Hierarchien sollen verschwinden, räumliche Wände ebenso. Der Open Space galt als größte Verheißung. Hat das Alleinsein unter New Work gelitten?

Swantje: Ich würde es anders formulieren: Das Alleinsein hat unter einer falsch verstandenen »New Work« gelitten.

inperspective: Wie sollte man New Work besser verstehen?

Swantje: Mit »New Work« wollen wir die Arbeit für die Menschen besser machen. Und zwar für alle. Es gibt natürlich nicht die eine Lösung. Es ist idealerweise ein hybrides Zusammenspiel, das individuelle Bedürfnisse aller Mitarbeitenden wertschätzt.

inperspective: Der Begriff New Work ist schwammig.

Swantje: New Work schafft es, alles und nichts auszudrücken. Es wird erst interessant, wenn man auf die einzelnen Ebenen schaut.

inperspective: Welche sind das?

Swantje: Zum Beispiel die individuelle Ebene. Auf dieser sollten wir erkennen, was wir selbst können und wo wir Schwierigkeiten haben. Ob wir resilient sind oder nicht. Ob wir unsere Arbeit aus einer positiven Grundmotivation machen. In anderen Bereichen geht es um Räume, in denen wir uns begegnen und zurückziehen können. Und natürlich betrifft New Work auch Leadership und unsere Gesellschaft. Es ist nur ein Oberbegriff für zahlreiche spezifische Unterthemen.

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»New Work« ist für Swantje Allmers idealerweise ein hybrides Zusammenspiel, das individuelle Bedürfnisse aller Mitarbeitenden wertschätzt.

inperspective: Du berätst mit deinem Unternehmen New Work Master Skills zahlreiche Unternehmen bei genau diesen Aspekten. Und das sehr erfolgreich. Was haben deine Kundinnen und Kunden von deiner Beratung?

Swantje: Zunächst haben sie ein mehr oder weniger konkretes Problem, bei dem sie Unterstützung suchen und den Blick von außen brauchen.

inperspective: Was sind das für Herausforderungen?

Swantje: Beispielsweise die Probleme, die beim Auflösen von Hierarchien entstehen. Die Leute stellen sich das immer zu einfach vor. Tatsächlich tun sich zahlreiche Mitarbeitende erst mal schwer mit dem Vorgang. Und damit meine ich nicht nur die Personen, die Verantwortung und Artefakte der Führung abgeben müssen. Auch die bislang Geführten müssen sich an den neuen Rahmen gewöhnen. Zuletzt äußerten unsere Kundinnen und Kunden ähnliche Probleme bei der hybriden Zusammenarbeit. Das Zusammenspiel zwischen Remote- und Präsenz harmoniert oftmals noch nicht wie gewünscht.

inperspective: Ist das Homeoffice doch ein Problem?

Swantje: Nein, das Homeoffice ist an sich kein Problem. Es bietet insbesondere Frauen, aber auch Männern, völlig neue Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dass wir diese Flexibilität bewahren, ist essenziell. Allerdings mit Rücksichtsnahme auf die Bedürfnisse des Teams und die eigene Arbeit.

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»Das Homeoffice ist kein Problem. Dass wir diese Flexibilität bewahren, ist essenziell.«

inperspective: Was sind die Ursachen für die Schwerfälligkeit beim hybriden Zusammenarbeiten?

Swantje: Oft ist der Rahmen zu unscharf. Entscheidende Fragen wurden erst unzureichend beantwortet. Zum Beispiel: Welche Arbeit muss zeitlich synchron stattfinden, welche kann asynchron geleistet werden? Wann ist Präsenz wichtig, wann ist sie irrelevant? Allein aus diesen Fragen lassen sich fundamentale Prinzipien gemeinsam bestimmen.

inperspective: Wer sollte die Leitlinien bestimmen?

Swantje: Idealerweise alle Mitarbeitenden in ihren individuellen Teams, gemeinsam mit der dazugehörigen Führungskraft. Sie müssen gemeinsam festlegen, unter welchen Bedingungen hybride Arbeit für alle zufriedenstellend funktioniert. Entscheidend ist, dass sich dieser Rahmen an den Tätigkeiten orientiert. Deshalb gibt es für Unternehmen keine Patentlösungen.

inperspective: Klingt simpel. Und genau diese vermeintliche Einfachheit führt zu vermeidbaren Fehlern. Was ist der größtmögliche Fauxpas?

Swantje: Wenn Unternehmen die angesprochenen Regeln von oben herab bestimmen. Wie schon erwähnt: Einheitliche Maßnahmen führen selten ans Ziel. Stattdessen müssen Entscheidungen die Individualität der Menschen berücksichtigen. Wer starre Regelsets wählt, zum Beispiel sagt: »Montag, Mittwoch und Freitag aber ins Büro«, wird die Menschen frustrieren! Schlimmer noch: Unternehmen nehmen ihre Angestellten aus der Eigenverantwortung. Genau die ist in dynamischen Zeiten wie den aktuellen relevanter denn je.

inperspective: Ich persönlich schätzte das Homeoffice. Doch eine Sache fehlt mir. Informationen. Ich habe das Gefühl, weniger von meinen Kolleginnen und Kollegen zu wissen. Ich höre am Telefon Stimmen, sehe im Video Call Gesichter. Das aber in überschaubaren Fragmenten des Alltags. Wie es ihnen wirklich geht? Keine blasse Ahnung.

Swantje: Im direkten Vergleich fehlt etwas. Besonders wenn man noch nicht lange zusammengearbeitet hat, keine gemeinsame Nähe existiert, erscheint die Distanz schnell groß. Und ganz grundsätzlich: Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir müssen uns treffen. Freundschaften pflegen wir auch nicht ausschließlich über Zoom. Im Arbeitskontext ist es ähnlich. Die Bereitschaft zur Begegnung ist wichtig für gute Zusammenarbeit.

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inperspective: Zusammenarbeit ist ein Stichwort. Es gibt Studien, die zeigen, dass das Commitment zum Arbeitgeber durch Homeoffice und Co. ausgehöhlt wird.

Swantje: Die Loyalität leidet noch viel stärker, wenn Unternehmen die Rückkehr ins Büro ohne Dialog erzwingen. Beschäftigte denken, dass sie etwas falsch gemacht haben. Außerdem kennen wir es selbst: Wenn wir die Freiheit haben, etwas selbst zu bestimmen, sind wir offener für das Verlassen unserer Komfortzonen. Bei Zwang sucht das Gehirn rasch nach Ausflüchten. Das wahre Problem kaum frequentierter Arbeitswelten liegt deutlich tiefer.

inperspective: Ich bin gespannt.

Swantje: Wenn Mitarbeitende sich gegen die Rückkehr an den Präsenzarbeitsplatz sperren, fünf bis acht Tage im Monat schon als schwierig gelten, dann müssen Unternehmen ihr »Büro« hinterfragen.

»Freundschaften pflegen wir auch nicht ausschließlich über Zoom. Im Arbeitskontext ist es ähnlich. Die Bereitschaft zur Begegnung ist wichtig für gute Zusammenarbeit.«

inperspective: Was macht für dich eine gute Arbeitsumgebung aus?

Swantje: Sie kommuniziert Wertschätzung. Also dass bei der Gestaltung des Büros an »meine« Bedürfnisse als Mensch und Mitarbeitende gedacht wurde. Und dieser Ausdruck beginnt bei den Kleinigkeiten. Dass der Kaffee idealerweise besser schmeckt als zu Hause, und dass ich dafür keine 40 Cent in einen Automaten stecken muss.

inperspective: In deinem Arbeitsalltag erlebst du unzählige Büros. Wo hattest du zuletzt ein Erweckungserlebnis und dachtest: Boah, das ist krass hier.

Swantje: Im neuen Gebäude der New Work SE.

inperspective: Was gefällt dir am Komplex?

Swantje: Das Office im alten Unilever-Gebäude erinnert fast an ein Kreuzfahrtschiff. Überall Fenster, überall Wasser, die Elbe ist nah. Das ist richtig schön geworden. Man fühlt, dass dieser Ort für die Menschen kreiert wurde. Und: Es gibt genügend Flächen für Einzel- und Teamarbeit. Das Büro spricht verschiedene Bedürfnisse an – und damit unterschiedliche Charaktere.

inperspective: Was hat die New Work SE besonders gut gemacht?

Swantje: Sie haben die Situation sehr gut für sich genutzt. Während der Umgestaltung – in der Corona-Zeit – wurde klar, was ein Büro in Zukunft können muss: attraktiver sein als das Homeoffice. Menschen so begeistern, dass sie gerne zur Arbeit gehen. Das Unternehmen konnte die Arbeitsflächen auf diesen schon damals sichtbaren Trend hingestalten und hat das optimal getan. Ich weiß aus Gesprächen, dass die Nutzungsquote der Räume überdurchschnittlich hoch ist.

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inperspective: Zu Beginn der Pandemie gab es einige Einschätzungen, die einen deutlichen Rückgang der Büroflächen prophezeiten. Wenn ich unser Gespräch bewerte, würde ich sagen: Okay, eigentlich verlangt es mehr Raum, damit alle Bedürfnisse ausreichend Platz finden.

Swantje: Mehr Platz? Ich bin unsicher. Es könnte auch genügen, wenn wir den vorhandenen Raum besser verteilen. Ein gutes Beispiel ist München. In der Metropole ist das Leben so teuer geworden, dass die Menschen immer weiter ins Umland ziehen. Das verlängert die Arbeitswege. Und das Pendeln ist das Hauptargument gegen das Büro. Besser wäre es, wenn sich Unternehmen großflächiger verteilen. Es nicht mehr dieses eine gewaltige Gebäude gibt, sondern kleinere und große Einheiten. Vielleicht müssen sich nicht die Menschen den gemeinsamen Arbeitswelten annähern, sondern die Unternehmen diesen Schritt mit ihren Büros vollziehen. Das kann den Zustrom zurück ins Office erhöhen. Es wäre definitiv eine Wertschätzung, die sich an den unmittelbaren Lebensrealitäten orientiert.

inperspective: Swantje, zum Abschluss: Was ist dein Tipp an Unternehmen, wenn sie neue Arbeitswelten gestalten?

Swantje: Zuhören, die Mitarbeitenden einbeziehen. Ganz wichtig ist, dass Unternehmen, die Rolle rückwärts vermeiden, sofern es vereinzelt Kritik gibt. Das Zurücknehmen einer Entscheidung trifft jene, die eine Entwicklung gut fanden, und belohnt manchmal eine laute Minderheit. Statt des Rückschritts sollte der Blick iterativ nach vorne gerichtet sein. Was können wir aus negativem Feedback lernen? Wie holen wir die Unzufriedenen wieder ab? Dafür ist gelegentlich eine Seitwärtsbewegung nötig. Aber die ist um einiges wertvoller als die Reset-Taste.