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Auf der Walz in innovativen Arbeitswelten

Anna Schnell war mit ihrem Mann auf Weltreise. Sie wollte erleben, wie innovativ die Welt arbeitet.

New Work bedeutet mehr als Tischtennisplatten und bunte Büros, sie stehe vor allem für eine Mindset- und Kulturfrage, schreibt Autorin und Unternehmerin Anna Schnell. Sie bereiste mit ihrem Mann die Welt und erkundete moderne Arbeitswelten. Dabei lernte sie, wie Innovationen in modernen Unternehmenskulturen gedeihen können. Ein Gastbeitrag.

 von Anna Schnell

Mein Mann Nils und ich waren von Mai 2018 bis April 2020 auf unserer #modernworktour. Auf dieser modernen Walz haben wir uns in 34 Ländern angeschaut, wie innovatives Arbeiten in den entlegensten Orten unserer Welt funktioniert. Uns war dabei wichtig, internationale Hotspots wie Tel Aviv in Israel oder Shenzhen in China zu erkunden. Genauso wollten wir aber auch an ungewöhnlichen Orten nach Elementen der New Work suchen. Wir waren in Ulaanbaatar, Hauptstadt der Mongolei, oder in Kampala, Uganda.

Uns hat es schon früh interessiert, wie Menschen in anderen Teilen dieser Welt zusammenarbeiten und vor allem, was wir von ihnen lernen können. Da wir uns seit vielen Jahren mit neuen Arbeitskonzepten wie der "New Work" beschäftigen, ist die Idee der "modernen Walz" entstanden. Auf der Reise wollten wir nicht nur erfahren, wie anderswo gearbeitet wird, sondern zudem unsere eigene Expertise an die Firmen in diesen Ländern weitergeben. So haben wir auf unserer #modernworktour 48 Interviews geführt und von inspirierenden Menschen gelernt. Gleichzeitig durften wir für über 120 Unternehmen Gespräch-Sessions oder Coachings leiten. Das war eine ganz besondere Erfahrung für alle Beteiligten.

In den 34 Ländern begegneten wir vielen Menschen, die Zusammenarbeit neu denken, proaktiv an Herausforderungen arbeiten oder zumindest bei der Lösungssuche mitwirken wollen. Damit modernes Arbeiten gelingen kann, sind vor allem die Macherinnen und Macher wichtig, die eine Innovation mit persönlicher Energie vorantreiben möchten. Im Sinne von New Work fallen mir auf Anhieb drei tolle Beispiele ein.

Fast zwei Jahre war das Ehepaar in der Welt unterwegs.

1. Symphony, Sarajevo, Bosnien Herzegowina

Das Technologie-Unternehmen ist sehr erfolgreich und wächst beständig weiter. Geprägt von einer mitarbeiterzentrierten Unternehmenskultur stand der Gründer irgendwann vor der Herausforderung, dass sein Unternehmen beinahe zu groß wurde, definitiv aber zu schnell wuchs. Die Kollegen konnten nicht mehr in ihrer gewohnten Art kommunizieren und selbstbestimmt arbeiten. Einige Angestellte dachten offen darüber nach, das Unternehmen zu verlassen, wenn es sich weiter so rasch vergrößern sollte.

Um die zentrale Idee des selbstbestimmten Arbeitens weiterhin aufrechtzuerhalten, wurde gemeinsam mit den Mitarbeitern nach einer Lösung gesucht. Die Firma beschloss, dass der Standort in Sarajevo nicht weiter ausgebaut werden sollte. Stattdessen eröffnete Symphony eine weitere Basis im Kosovo. Die Mitarbeitergrenze liegt in allen Büros mittlerweile bei ungefähr 80 Menschen. Hier wurde also der Aspekt der Selbstbestimmung der Mitarbeiter so schwer gewichtet, dass der Geschäftsführer die Unternehmensstruktur grundlegend an die von den Kollegen gelebten Werte anpasste. Symphony konnte die kulturellen und räumlichen Arbeitsbedingungen, die die Mitarbeiter schätzten, nachhaltig bewahren.

Symphony in Sarajevo. Am ehemaligen Bürgerkriegsschauplatz sprießen mittlerweile innovative Firmen.

2. NoMoss, Sydney, Australien

New Work wird häufig mit dem Begriff "sinnstiftende Arbeit" gekoppelt. Genau dieses Thema hat der Gründer Steven HK Ma von NoMoss zu seinem Unternehmensmotto erhoben. Aus seinem Job als CEO hat er kurzerhand die Rolle des CPOs, also des Chief Purpose Officers definiert. Heute kümmert er sich vor allem darum, gemeinsam mit seinen Mitarbeitern herauszufinden, welchen Sinn sie in ihrem Berufsleben sehen.

So kam es, dass eine Gruppe von Angestellten ihm irgendwann mitteilte, dass sie lieber Spiele-Apps entwickeln würden als an Finanzkonzepten zu feilen. Nachdem sie in einem "Purpose Talk" ihre Idee vorgestellt und besprochen hatten, konnten sie mit der Umsetzung ihres Konzepts beginnen. Mittlerweile ist aus dieser Initiative ein ganz neuer und erfolgreicher Geschäftszweig für das Beratungsunternehmen entstanden. Der Gründer hat also zugelassen, dass die Motivation seiner Mitarbeiter eine Veränderung von innen heraus antreibt. Seine Unternehmung veränderte sich dadurch grundlegend positiv. Der Wirtschaftsphilosoph und Autor Frederic Laoux beschreibt dieses Phänomen in seinem Lehrbuch "Reinventing Organisations".

In Sidney begegneten die Schnelles ein Unternehmen, das Jobs für die Mitarbeiter schafft.

3. PWC, Lagos, Nigeria

Das letzte meiner drei Beispiele stammt aus Lagos in Nigeria, wo wir die bekannte und weltweit agierende Wirtschaftsberatung PricewaterhouseCoopers (PWC) besuchen durften. Um den Hintergrund dieser Story zu verstehen, muss man wissen, dass der afrikanische Kontinent eine extrem junge Bevölkerung beherbergt. So liegt das Durchschnittsalter in Nigeria beispielsweise bei etwa 18 Jahren. Im PWC-Vorstand merkten die Führungskräfte, dass die jungen Mitarbeiter ganz anderes Wissen besitzen und ihre Arbeitsumgebungen zudem anders als die älteren Generationen wahrnehmen. Da unerfahrene Mitarbeiter normalerweise nicht im Vorstand sitzen, gehen die frischen Ideen und das kostbare Know-how des Nachwuchses verloren. Nur selten kommen diese Impulse oben bei den Entscheidern an. PWC reagierte auf den Missstand und schuf den sogenannten "NextGen Council". In diesem Forum erhalten junge Wissensträger die Gelegenheit, den Vorstand aktiv zu beraten. Bei PWC-Nigeria wurde verstanden, dass zu starre Hierarchien die Wissensvernetzung in einem Unternehmen einschränken können.

Das wahre Potenzial von New Work

Diese drei Ideen besitzen alle einen innovativen Charakter und tragen dazu bei, dass im Sinne von New Work neue Strukturen und Arbeitsweisen entstehen. Das ist das, was wir unter dem Kern von New Work verstehen. Es geht nicht nur darum, Spaß zu haben oder genial konstruierte Großraumbüros einzurichten. In der Veränderung und Optimierung unserer Kultur und im gegenseitigen unternehmensinternen Umgang steckt in meinen Augen das wirkliche Potential und die eigentliche Innovation von modernen Arbeitswelten.

Wir müssen uns New Work wie eine Hülle mit einem Kern vorstellen. Die Hülle von New Work besteht zum Beispiel aus Tools und Arbeitswerkzeugen, die wir in den Unternehmen nutzen. Dazu gehört die sinn- und stilvolle Einrichtung von Büroräumen. Aber nur durch ein tolles Raumdesign oder den Einsatz von modernen Tools ist ein Unternehmen nicht gleich fortschrittlich. Dazu gehört eben das entsprechende Mindset. So wie Steven von No Moss in Sydney den Purpose seiner Mitarbeiter als Treiber für neue Entwicklungen sieht. Oder die Wahrnehmung von PWC in Nigeria, dass zu starre Hierarchien das gegenseitige Lernen und die Wissensvernetzung einschränken und dadurch die internen Weiterentwicklungsprozesse gehemmt oder gar ganz blockiert werden.

Wir haben in unserem Buch "New Work Hacks" diese klugen Gedanken und Kniffe festgehalten und Beispiele von unserer #modernworktour aufgegriffen. Denn für uns geht es im Kern von New Work darum, durch die Ermöglichung von sinnstiftender Arbeit Menschen wieder in den Mittelpunkt von Unternehmen zu stellen. Und genau damit die interne Wissensvernetzung anzuregen. So entstehen innovative Ideen, die nicht nur das Unternehmen weiterbringen und die Arbeitsatmosphäre in den Büros verbessern, sondern auch die Mitarbeiter bei der Ausführung einer sinnvollen Tätigkeit unterstützen.

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