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Arbeit im Homeoffice: Büros not dead

Tolle Küche, toller Kaffee, mehr Raum zum Arbeiten. Unser Autor, der das Homeoffice liebt, vermisst plötzlich das Büro.

Millionen Arbeitnehmer sind vor Kurzem ins Homeoffice gezogen. Werden sie nach Ende der Selbstisolation dortbleiben? Nein, schreibt inperspective-Autor Hannes Hilbrecht. Drei Gründe, warum das Büro nach der Krise sogar an Bedeutung und Beliebtheit gewinnen könnte.

von Hannes Hilbrecht

"Punks not dead" ist ein beliebter T-Shirt-Aufdruck in der alternativen Subkultur. Bereits im Jahr 1981 wurde die Botschaft von der Band "The Exploited" geprägt. Das erste Album der Gruppe trug diesen Titel. Eine Botschaft mit Kraft und Ausdauer. Der Punk stirbt nicht, der Punk wird bleiben. Ganz Ähnliches lässt sich auch im Jahr 2020 über Büros und Arbeitswelten sagen.

Deutschland befindet sich in einem beeindruckenden wie beängstigenden Live-Experiment. Vor Kurzem noch robuste Wirtschaftszweige liegen brach. Millionen Menschen arbeiten plötzlich von zuhause. Sogar Unternehmen, die sich lange Zeit gegen das Homeoffice als Alternative sträubten, schaffen nun im Eiltempo die entsprechende Infrastruktur. In vielen leer gefegten Büros schweigen die fleißigsten Mitarbeiter, die sonst über 40 Stunden in der Woche brummen – die Kaffeemaschinen. Bereits nach den ersten Tagen in der Corona-Isolation scheint klar: Die Kollaboration steht durch die Nebenwirkungen der Pandemie vor einem deutlich beschleunigten Wandel. Diese Veränderungen werden auf alle Arbeitswelten abfärben. Ich glaube, dass die Corona-Krise die Sicht auf die Büros sogar positiv verändern kann. Allerdings werden neue Fragen und Herausforderungen auf Büroplaner, Architekten und Unternehmen zukommen.

1. Mehr Wertschätzung für das Büro

Sogar der Kollege, der beim Frühstücken so gerne schmatzt, dem die Rosinen zu oft aus den Mundwinkeln hängen, fehlt mir mittlerweile.

Ich arbeite seit etwa zwei Jahren die meiste Zeit im Homeoffice. Ich schätze die Ruhe, die Flexibilität, vor allem den kurzen Arbeitsweg. Inklusive Dusche und Frühstück brauche ich 30 Minuten von der Koje an den Schreibtisch. Andere fahren nach dieser Zeit erst auf die Autobahn in Richtung Büro. Bis dato war es mir freigestellt, von wo ich arbeite. Ich entschied nach Gutdünken oder wie ich es nenne: terminorientiert. Wenn etwas Wichtiges anstand, fuhr ich ins Büro. Wenn nicht, blieb ich an dem Ort, der am besten zu meinen wartenden Aufgaben passte.

Für mich am allerwichtigsten: Ich hatte eine Wahl. Und diese eigene Entscheidung zu haben, von wo ich arbeite, ist maßgeblich für unsere mentale Gesundheit. Der Mensch trifft gerne freie Entschlüsse. In meinem Arbeitsumfeld denken viele ähnlich. Selbst wenn man das Büro als Unternehmensbasis selten für sich beanspruchte, war es schön, dass sie da war, dass ich sie jederzeit besuchen konnte. Jetzt, wo ich diese Option verloren habe, vermisse ich sie plötzlich sehr.

Ein Videocall mit Kollegen kann Nähe simulieren, kommt aber nicht an den persönlichen Austausch heran. Nach möglichen Wochen oder Monaten der Selbstisolation wird die Wertschätzung für direkten Kontakt und echte Gespräche mit dem Team steigen. Auch bei denen, die erstmalig die vielen Vorteile des Homeoffice entdecken dürfen. Mehr denn je werden Büros nicht nur Arbeitsorte, sondern Begegnungsstätten sein, an denen Ideen geboren werden und der Zusammenhalt wächst. Die Menschen werden nach Corona durch entspanntere Homeoffice-Regelungen vielleicht seltener ins Büro fahren. Aber genau das künftig mit größerer Freude tun.

Autor Hannes Hilbrecht auf der Terrasse bei seinem Arbeitgeber.

2. Das Büro als Tool

"Das Smartphone ist das derzeit beste Tool, das uns zur Verfügung steht. Nur nutzen viele Menschen das Potenzial nicht und lassen sich eher von dem Tool steuern als umgekehrt. Mit den richtigen Apps kann man allein mit diesem einen Gerät eine ganze Firma steuern. Von unterwegs, von zuhause, von überall. Deshalb ist es schade, dass viele Unternehmer das noch nicht verinnerlicht haben. Sie denken, dass eine Firma nur aus dem Büro geführt werden kann, und begreifen nicht, dass das Büro nur ein "Tool" der Kollaboration ist."

Das erzählte mir der Hamburger New-Work-Guru Christoph Magnussen 2018 in einem ausführlichen Interview. Magnussen ist ein Popstar der Branche, ein Reformist. Sein Gedanke, dass das Büro nur ein Werkzeug auf einer Tool-Palette ist, könnte nach Corona endgültig flächendeckend Erfüllung finden.

Die Arbeit im Homeoffice besitzt klare Vorteile. Viele sind wissenschaftlich bewiesen. Eine Mehrheit der sogenannten Knowledge worker arbeitet von zuhause produktiver. Die Arbeit im Homeoffice kann unter gewissen Umständen gesünder sein, weil klassische Stressauslöser wie Lärmprobleme in den eigenen vier Wänden reduzierter auftreten. Noch dazu sparen Unternehmen durch Remote-Modelle Bürofläche und damit Miet- und Betriebskosten. Das Homeoffice kann positiv für den Klimaschutz wirken, weil sich die Anzahl der täglichen Pendler auf den Autobahnen und städtischen Knotenpunkten nachhaltig verringern würde.

Wenn wir den Büroarbeitsplatz und das Homeoffice als Tools mit klaren Stärken begreifen, erkennen wir:

Das Homeoffice ist ein Paradies für sogenannte Deep Work, in dem Mitarbeiter in einer entspannten Atmosphäre ablenkungsfrei tiefschürfende Arbeiten erledigen können.

Das Büro bleibt ein Schmelztiegel für Ideen, Austausch und Commitment; ein Ort, der Mitarbeiter an Unternehmen bindet und motiviert.

Doch damit die Werkzeuge bestmöglich funktionieren, müssen Firmen künftig die Infrastruktur für zwei Arbeitsorte schaffen. Das ist vor allem eine Frage der Digitalisierung. Aber auch für die Planer von Büros ergeben sich zwar keine völlig neuen, dafür aber deutlich beschleunigte Herausforderungen. Open-Space und Meetingräume werden ebenso noch rascher und viel stärker an Bedeutung gewinnen. Die Entwicklung von flexibel nutzbaren Arbeitsplätzen wird eine Priorisierung erleben. Und es gilt neue Fragen zu beantworten. Wie können genügend Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden, ohne dass an klassischen Homeoffice-Tagen wie dem Freitag zu viel Raum ungenutzt bleibt?

Und: Wie können Unternehmen abseits von IT-Lösungen dafür sorgen, dass die Mitarbeiter im Homeoffice gesunde und nachhaltige Arbeitsbedingungen vorfinden, jederzeit vernetzt und motiviert sind? Während der hektischen Corona-Zeiten werden viele Lösungen aus der Not geboren. Gute Ideen sind dabei und Einfälle, deren Halbwertzeit schnell verglimmen dürfte. Kinderzimmer werden zu Büros umfunktioniert, der Küchentisch mit Monitoren zugestellt. Ergonomie geht anders.

Büroplaner, Designer und sogar Möbelhersteller müssen Konzepte entwickeln, die für Unternehmen wirtschaftlich effizient sind, aber gleichzeitig die Bedürfnisse der Arbeitnehmer weiter voll erfüllen. Diese Prozesse werden sich künftig schwieriger gestalten. Und spannender sein. Einfach, weil es mehr Möglichkeiten gibt.

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3. Das große Streben nach Vereinbarkeit

Bevor ein Virus das öffentliche Leben lahmlegte, war das Bohei um die Generation Z eines der bestimmenden Themen im Kontext von Arbeitswelten. Eine neue Altersklasse erobert die Büros. Die ersten frühreifen Absolventen der Zs haben bereits die Schulen und Universitäten verlassen und bringen mit ihrer selbstbestimmten Attitüde Pepp in die Unternehmen.

Anders als die vorherigen Generationen ist für den Nachwuchs nicht nur der Sinn und Zweck der eigenen Jobs wichtig. Sie streben nach einer klaren Abgrenzung von Arbeit und Freizeit. Von Konzepten wie dem Work-Life-Blending, also dem bereitwilligen Vermischen vom Beruflichen und vom Privaten, halten viele Bürojungspunde eher wenig.

Genau diese Generation, die wie kaum eine andere mit unbegrenzten Möglichkeiten aufwachsen durfte, wird von Corona besonders getroffen. Das Selbstverständliche ist nicht mehr selbstverständlich; vielleicht wird es dass nie wieder sein. Statt Reisen, Kino oder Park heißt es Isolation. Alle stehen still, die Generation Z gefühlt noch etwas stiller.

Es ist kaum vorstellbar, dass ausgerechnet die nach Vernetzung strebenden Zs nach dem Ende der unmittelbaren Corona-Beschränkungen die Arbeit von zuhause erledigen möchten. Im Gegenteil: Die junge Generation, die über soziale Kanäle wie TikTok oder Instagram in Windeseile Trends disruptiv entfachen kann, wird moderne, energiestiftende Arbeitswelten wertschätzen, erwarten und wenn nötig einfordern. Das prophezeiten Expertinnen wie die Unternehmensberaterin Stefanie Peters bereits Monate vor Corona. Die Zukunft will moderne Büros und Arbeitswelten, und sie wird diese bekommen. Oder wie "The Exploited" trällern würden: Büros not dead! Zumindest solange sie die Bedürfnisse der jungen und alten "Benutzer" erfüllen. 

Expertin Stefanie Peters ist sich sicher, dass die Generation Z moderne Arbeitswelten einfordern wird.