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Der feine Unterschied

Dr. Inga Ganzer (l.) und Juliane Moldrzyk leiten das Architektenbüro Raumdeuter in Berlin.

Flex Desk, Biophilie und Standortwahl – für effiziente Büros gibt es viele Ansätze und Konzepte. Dabei sei das effiziente Büro vor allem eine Definitions- und Kulturfrage, sagen die Berliner Innenarchitektinnen Inga Ganzer und Juliane Moldrzyk vom Büro Raumdeuter. Ein Gespräch.

von Hannes Hilbrecht

inperspective: Inga, Juliane, erzählt mal: Was ist eure Definition von effizienten Arbeitswelten?

Inga: Wir müssen unterscheiden zwischen Effizienz und effektivem Arbeiten. Der erste Begriff bezieht sich auf die finanziellen Aufwände eines Büros. Auf die Planungskosten, die Materialien, später auch den Betrieb der Anlage. Aber mindestens genauso wichtig ist ja, wie gut die Mitarbeiter ihren Job erledigen können. Wie effektiv sie arbeiten. Davon hängt der wirtschaftliche Erfolg der Unternehmen am Ende ab.

Juliane: Und genau hier entsteht oft ein Ungleichgewicht. Manche Unternehmen freuen sich zunächst über effiziente Büros, in denen möglichst viele Mitarbeiter auf möglichst wenig Raum sitzen. Doch das birgt Gefahren. Mitarbeiter, die sich nicht wohlfühlen, die dauernd abgelenkt werden, arbeiten nicht effektiv.

inperspective: Was übersehen Unternehmen auf der Suche nach einem effizienten Büro am häufigsten?

Inga: Zum Beispiel das Problem mit der Akustik. Akustikelemente sind kostspielig. Wie sie wirken, kann man ihnen aber nicht sofort ansehen. Man merkt erst, dass sie fehlen, wenn es zu spät ist und der Bürolärm die Mitarbeiter stört. Ein Büro ohne Akustiklösungen mag kosteneffizient sein. Aber effektives Arbeiten ist kaum möglich.

Juliane: Bei Akustiklösungen sprechen wir von einem unsichtbaren Faktor. Den vergessen Unternehmen wirklich am liebsten.

inperspective: Was ist ein Schlüssel, um die Chancen auf eine effektive Arbeitsatmosphäre grundsätzlich zu erhöhen?

Inga: Der Wohlfühlfaktor ist ein guter Hebel. Und der entsteht nicht nur durch kostenlosen Kaffee oder frisches Obst, sondern auch durch Freiraum, einen großen Schreibtisch und den Möglichkeiten, die Atmosphäre am Arbeitsplatz zu individualisieren. Zum Beispiel durch das eigenständige Öffnen der Fenster, das Regulieren der Heizung oder das Dimmen des Lichtes. Die Arbeitsbedingungen auf seine Bedürfnisse einstellen zu können, ist vielen Mitarbeitern wichtig. Das stärkt das Wohlfühlen ganz erheblich.

inperspective: Welche Bedeutung hat die Standortwahl beim Streben nach Effizienz? Unternehmen, besonders moderne Firmen, balgen sich im engen Stadtkern zusammen. Das treibt Mieten und damit Kosten hoch. Und an Raum mangelt es häufig ebenso.

Inga: Es geht bei der Standortwahl nicht nur um Prestige und Image. Unternehmen locken mit der zentralen Lage potenzielle Mitarbeiter. Besonders junge Menschen bevorzugen Orte in der Innenstadt, die sie gut erreichen können. In Berlin ist das der Alltag. Je exklusiver der Ort oder die Aussicht, desto attraktiver sind häufig die Firmen als Arbeitgeber. Es geht um ein Statusempfinden. Da kann eine Stadtvilla in Potsdam noch so schön, verhältnismäßig günstig und von einem großen Garten ummantelt sein – die Leute lassen sich nicht anziehen. Die Villa liegt zu weit weg. Der Gendarmenmarkt bietet dagegen mehr Flair.

Juliane: Das Streben nach besonderen Büros und exklusiven Service sorgt dafür, dass einige Unternehmen sich lieber einen Co-Working-Space mieten. Da müssen sie sich nicht um Klopapier und Reinigungskräfte kümmern. Kaffee und Wasser wird gestellt. Und dazu gibt es eine Aussicht wie in der Vorstandsetage eines Großkonzerns. Das ködert Talente, hat aber Nachteile. Die Identifikation mit dem Büro und dem Arbeitgeber ist in den eigenen Räumen viel größer als in einem Co-Working-Space.

Inga: Daraus ziehen wir als Planer unsere Daseinsberechtigung. Wir wollen Büros entwickeln, die genau diese Identitätsbildung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verstärkt. Dafür müssen wir ein lebendiges Design möglichst kostensparend und unter Einhaltung aller Normen und Regeln mit den Anforderungen eines effektiven Arbeitsplatzes kombinieren.

inperspective: In unseren Gesprächen mit Architekten erkennen wir immer wieder ein Problem: Innenarchitekten und Planer fühlen sich zu spät bei Projekten abgeholt. Zunächst werden Räume angemietet, dann kommt der Fachplaner dazu.

Inga: Diese Situation kennen wir ganz gut. Unternehmen kümmern sich zunächst um das Gebäude und die Räumlichkeiten, und danach wird erst wichtig, was in den Büros eigentlich passieren soll. Was wir aber verstärkt spüren und sehr wertschätzen: Unternehmen beziehen uns vermehrt bei den Verhandlungen mit den Vermietern ein.

inperspective: Warum?

Juliane: Weil es oft um Kompromisse geht. Zum Beispiel bei den Fußböden. Der Vermieter kalkuliert eine Variante mit ein. Wenn wir eine Alternative empfehlen, die teurer ist, muss man sich einigen, argumentieren. Problematisch wird es, wenn der Vermieter seine Rahmenverträge unterhält, also bei Herstellern mitverdient, wenn er einen bestimmten Boden verlegen lässt. Da werden Kompromisse teuer, weil der Vermieter seine fehlenden Einnahmen von der einen auf die andere Seite umschlagen möchte. Wir prüfen und beraten, ob es das wert ist – oder eben nicht. Generell läuft es aber sehr kooperativ ab. Der Vermieter übernimmt die Kosten, die er eingeplant hat, der Mieter zahlt für die Sonderwünsche drauf. Beide Seiten profitieren.

inperspective: "Kompromiss" ist ein gutes Stichwort. Es gibt die ewige Frage: Design oder Funktionalität. Wie entscheidet ein guter Planer, wenn Effizienz sein Ziel ist? 

Inga: Das ist immer eine Abwägungssache. Neulich diskutierten wir lange über ein biophiles Raumkonzept. Der Kunde wünschte sich grüne, lebendige Wände. Am liebsten sollte es eine Wand mit echten Pflanzen sein. Bewässert und belichtet. Schön. Aber teuer.

Juliane: Wir experimentierten mit anderen Lösungen. Unter anderem eine Variante mit getrocknetem Moos. Die Wand war optisch ein Hingucker, aber sie stank. Das hatten wir in unserem eigenen Büro zum Glück getestet. Am Ende haben wir eine Lösung gefunden und eine Wand mit entsprechenden Fotomotiven beklebt. Davor platzieren wir üppige Topfpflanzen. Die können Unternehmen verhältnismäßig günstig mieten. So konnten wir den Wunsch der grünen Wand erfüllen und gleichzeitig die Kosten im Vergleich zum ursprünglichen Vorhaben senken. Voraussetzung dafür war die Kompromissbereitschaft beim Kunden und ein neu erdachtes Zusammenspiel aus verschiedenen Elementen. Das machte zwar ein bisschen mehr Mühe als erwartet. Ist aber langfristig günstiger. Und damit effizient.

Die Holzoptik an den Wänden fungiert als biophiles Designelement.

inperspective: Ein beliebter Ansatz, um Büros kostengünstiger zu gestalten, sind sogenannte Flex oder Share Desks. Die eigenen Schreibtische werden abgeschafft. Jeder sucht sich den Platz, den er braucht.

Inga: Wir haben erst einmal über ein Flex-Desk-Konzept mit einem Kunden intensiv nachgedacht. Dann wurden die Mitarbeiter befragt. Die waren mehrheitlich dagegen. Von einem bekannten Projektentwickler weiß ich aber, dass dieses Modell andernorts angenommen wird und im Alltag funktioniert.

inperspective: Warum wird das Konzept in diesem Unternehmen erfolgreich angewandt?

Inga: Das besagte Unternehmen arbeitet sehr fokussiert und modern. Das Kollegium ist jung, die Lust auf innovatives Arbeiten weit verbreitet. Das Konzept wird nur als ein Teil einer sehr fortschrittlichen Kultur interpretiert. Die Firma arbeitet ansonsten papierfrei und komplett digital. Die technischen Strukturen sind dafür vorhanden. Wenn Flex Desks funktionieren sollen, dann muss die komplette Belegschaft dahinterstehen.

Juliane: Das ist ein wichtiger Punkt. Bei diesem Unternehmen wurde die Belegschaft mit der Zeit "bereinigt". Es gab einen klaren digitalen Kurs. Wer diese Entwicklung nicht mittragen wollte, hat das Projekt irgendwann verlassen. In dynamischen Firmen, in denen die Mitarbeiteranzahl noch überschaubar ist, funktioniert so ein Wandel. Er muss aber gut moderiert werden. Bestenfalls über einen sogenannten Change-Manager, der den Wandel initiiert und begleitet. Der Perspektiven aufzeigt und die Mitarbeiter abholt. Sorgen müssen aufgenommen, nicht ignoriert werden.

inperspective: Ich entnehme daraus: In großen Unternehmen mit einem diversen Mitarbeiterstamm ist Flex Desk eher kein Modell für die Zukunft.

Inga: In diesem Konzept fühlen sich Arbeitnehmer, die nicht ganz so innovativ ticken, eben unwohl. Das Wohlfühlen wird aktiv beschränkt, weil auf einmal Mitarbeiter um Arbeitsplätze konkurrieren. Es gibt dabei nicht den Wettkampf um Jobs oder Verantwortungen, den wir kennen. Sondern Streitigkeiten um den Schreibtisch mit der besten Aussicht. Eine völlig unnötige Baustelle.

Juliane: Was helfen kann, ist eine durchweg harmonische Gestaltung. Wenn jeder Arbeitsplatz schön gestaltet ist, dann kann es besagte Konkurrenzprobleme entschärfen und dafür sorgen, dass Mitarbeiter tatsächlich in neuen Konstellationen zusammenarbeiten. Schwer realisierbar ist dagegen die Kombination von festen und flexiblen Arbeitsplätzen. Dann braucht theoretisch jeder Mitarbeiter zwei Tische. In Großstädten nicht realisierbar. Und schon gar nicht wirtschaftlich effizient.

inperspective: Wie bewertet ihr denn generell das Konzept Flex Desk?

Inga: Für manche Jobs oder Berufe kann es sowohl die Kosteneffizienz als auch das effiziente Arbeiten steigern. Zum Beispiel für Vertriebler, die nur ab und an direkt im Büro arbeiten und lediglich WLAN, einen Tisch und einen Stuhl benötigen. Oder aber für agile, interdisziplinär arbeitende Unternehmen oder Abteilungen. Für Buchhalter oder Personalverantwortliche sehe ich diese Konzepte dagegen generell kritisch. Dafür sind die eigenen Tätigkeiten zu sensibel. Und jedes Mal, wenn man kurz in die Küche oder aufs WC geht, alle Schränke abzusperren oder Programme schließen zu müssen – das senkt den Arbeitskomfort für die betroffenen Mitarbeiter erheblich.

Juliane: Es steht und fällt alles mit der technischen Infrastruktur. Und Unternehmen müssen einen klaren Plan haben, wie und mit wem sie arbeiten wollen. Der fehlt aber manchmal. Und wenn es keine klare Kultur gibt, die alle mittragen, ist es schwierig, ein unter Umständen effizientes Konzept wie Flex Desk erfolgreich zu adaptieren.

inperspective: Sind Büroplaner mittlerweile häufiger mehr Prozessdesigner als Raumgestalter?

Juliane: Das kann man so sagen. Wir beschäftigen uns fast mehr mit den Arbeitsprozessen als mit dem Design.

 Inga: Wir müssen uns als Gestalter bewusst einbringen. Wir wollen, dass unsere Büros funktionieren. Da reicht es nicht, einfach nur zu entscheiden, wo jetzt der Tresen hinkommt. Oder generell ein Office Design über die Räume zu stülpen. Effiziente Arbeitswelten passen zu den Mitarbeitern, den Jobs und den täglichen Anforderungen.

inperspective: Was ist für Arbeitgeber der einfachste Schritt, um ein effizientes Büro zu erreichen?

Juliane: Die Architekten rechtzeitig in die Planung bei einer Büroveränderung hinzuzuziehen. Und zuvor auch andere Fachexperten, die bei der Digitalisierung und bei den Arbeitsprozessen beraten können, ins Team holen. Firmen müssen zunächst wissen, wie sie arbeiten wollen, ehe wir Planer das "Wo" gestalten.

Inga: Die Briefing-Qualität würde sich durch die frühere Einbindung erhöhen und davon profitieren letztlich immer die Architekten, die Mitarbeiter und am Ende die Unternehmen selbst. Mit guten Briefings und einem klaren Konzept werden die Büros effizienter – zunächst in der Planung und dann im Alltag.

Bürogebäude, Gestaltung, Innenarchitektur, raumdeuter, Fürstenwalde
Produktive Mitarbeiter brauchen Kreativräume.