Teppiche als graue Schmutzfänger? Ein Unternehmen aus Stuttgart bricht mit diesem Narrativ und verhilft dem textilen Bodenbelag durch Design und Qualität zu neuem Ruhm. Martin Böhringer, Marketingleiter bei OBJECT CARPET, erklärt, wie innovativ ein Teppich sein kann.
von Kevin Berg
Ergonomische Stühle, höhenverstellbare Tische und rollbare Schallabsorber, dazu neue Konzepte und frische Farben: Viele Arbeitswelten bekamen in den vergangenen Jahren einen neuen Look verpasst. Ein Aspekt, der trotzdem häufig stiefmütterlich behandelt und quasi mit Füßen getreten wurde: der Teppich.
In vielen Büros wird der textile Bodenbelag unterschätzt. Dabei kann ein hochwertiger Teppich die Stimmung im Raum positiv verändern und sogar die Gesundheit der Mitarbeiter beeinflussen.
OBJECT CARPET, ein mittelständisches Unternehmen aus Baden-Württemberg, zählt deutschlandweit zu den führenden Anbietern von Teppichböden. Die Firma befindet sich auf großer Mission: Sie arbeitet daran, dass Planer und Innenarchitekten Teppiche als moderne Designelemente und Raumverschönerer wahrnehmen. Im Interview erklärt Martin Böhringer, der Marketingleiter des Unternehmens, warum ein Teppich wichtig für den Arbeitsalltag ist und was OBJECT CARPET von der Konkurrenz unterscheidet.
inperspective: Führender Anbieter von Teppichböden, Gewinner des German Design Awards in Gold: Auf der ganzen Welt verschönern eure Teppiche Büros, Hotels oder Wohnhäuser. Das klingt nach einem Big Player. Wer steckt hinter OBJECT CARPET?
Martin Böhringer: Ein traditionsreiches, mittelständisches deutsches Unternehmen, das seit bald 50 Jahren erfolgreich am Markt ist. Wir beschäftigen mehr als 100 Mitarbeiter und machen jährlich über 30 Millionen Euro Umsatz. Unser Headquarter in Denkendorf, einer Kleinstadt bei Stuttgart, ist dabei ein reines Entwicklungs-, Vertriebs- und Marketingzentrum. Die Produktion übernimmt ein Tochterunternehmen in Krefeld. All unsere Produkte sind "made in Germany".
inperspective: An wen verkauft ihr vorwiegend eure Teppiche?
Martin: Der B2B-Anteil bei uns beträgt rund 95 Prozent. Zu unseren Kunden zählen Unternehmen, die Bürogebäude ausstatten, Architekten, aber auch öffentliche oder kulturelle Gebäude und Einrichtungen. Zu einem kleinen Teil vertreiben wir unsere Teppiche über Partner an die Endverbraucher. Durch E-Commerce Lösungen wollen wir zukünftig den B2C-Vertrieb weiter ausbauen. Aufgrund der Preisklasse ist unsere Zielgruppe ohnehin etwas enger definiert. Ein abgepasster Teppich kostet schnell eine vierstellige Summe. Nicht jeder möchte diese Summen für den Privatgebrauch bezahlen.
inperspective: In eurem firmeneigenen Journal befasst ihr euch mit Themen wie der "Raumgesundheit". Was hat ein Teppich mit unserem körperlichen Wohlbefinden zu tun?
Martin: Unsere Produkte beeinflussen die Akustik und Staubbelastung im Raum. Im Gegensatz zu einem Hartboden bindet ein Teppich den Staub und verhindert das Aufwirbeln von kleinsten Partikeln, die über unsere Atmung in die Lungen gelangen können. Ein textiler Bodenbelag dämpft zudem den Trittschall deutlich um mehrere Dezibel. Und auf einem Teppich, der sich weich anfühlt, arbeitet es sich für viele Menschen in den Büros angenehmer.
inperspective: Betritt man einen Raum, achten die meisten Menschen zunächst auf die Möbel oder die Wandfarbe. Wie prioritär wird der Teppich als Einrichtungsgegenstand wahrgenommen?
Martin: Ähnlich wie bei Wänden bietet der Teppich großen Spielraum für die Gestaltung. Mit dem Design des Bodenbelags können wir Emotionen auslösen und die unterschiedlichsten Raumatmosphären kreieren. Teppiche können beruhigen, aber auch unsere Kreativität anregen. Trotz dieser Möglichkeiten wird der textile Bodenbelag häufig vernachlässigt.
inperspective: Warum?
Martin: Weil besonders in Büros ein Großteil der Fläche mit Möbeln zugestellt ist. Auch ist entscheidend, was der Kunde mit einem Bodenbelag bezwecken möchte. 80 Prozent unserer Bodenbeläge verkaufen wir in Grautönen, weil sie eine neutrale und beruhigende Wirkung haben. Und nicht jeder Kunde ist mutig genug für eine ausdrucksstarke, farbige Bodengestaltung. Dabei können mit unseren besonderen Designs oder unserem breiten Farbspektrum unverwechselbare, eindrucksvolle Raumidentitäten entstehen. Unsere Aufgabe ist es, dem Kunden die vielen Möglichkeiten zu zeigen und gemeinsam die für ihn beste auszusuchen.
inperspective: Ein ungepflegter Teppich fällt sofort negativ auf, während Makel auf einem Holzboden sogar charmant und authentisch erscheinen können.
Martin: Zur optimalen Wirkung eines Teppichs tragen viele Aspekte bei. Die richtige Pflege gehört eindeutig dazu. Für viele Kunden ist die Langlebigkeit und Strapazierfähigkeit ein wichtiges Kriterium. Dabei glauben viele, dass ein Teppich deutlich mehr Pflege als ein Hartbelag benötigt. Bei manchen Produkten mag das stimmen. Bei uns sind aber alle Bodenbeläge mit einer Schmutz- und Fleckschutzausrüstung ausgestattet. Das Mittel wird in der Produktion aufgetragen und verhindert, dass der Teppich später Schmutz oder Flüssigkeiten aufsaugt. Selbst verkleckerter Kaffee lässt sich mit Sprudelwasser leicht entfernen. Dennoch ist eine gewisse Pflege essenziell, um die Halbwertszeit von 15 Jahren beizubehalten.
inperspective: Ihr steht nicht nur zu anderen Teppichherstellern in Konkurrenz, sondern auch zu alternativen Bodenbelägen. Was sind eure Erfahrungen bezüglich der Verteilung der verschiedenen Beläge in Büros?
Martin: Momentan erleben Designböden aus Vinyl einen Aufschwung. Doch für die Akustik eines Raumes sind textile Bodenbeläge unersetzlich. Haben sich Kunden für einen Hartboden entschieden, bieten wir ihnen unsere abgepassten Teppiche an, die den Raum situativ verschönern und zur Zonierung verschiedener Bereiche – speziell bei offenen Bürokonzepten – beitragen. Auch diese Teppichinseln entfalten eine positive Wirkung auf die Raumakustik.
inperspective: Neben der Akustik und der Optik ist sogar der Geruch immer häufiger ein Thema in Arbeitswelten. Ein Forscher erklärte uns, dass jeder Duft den Menschen emotional beeinflussen kann. Allerdings verströmen Teppiche manchmal einen starken Eigengeruch.
Martin: Damit das nicht passiert, waschen wir unsere Produkte intensiv nach dem Färben. Dadurch entfernen wir Bindemittel, die während der Produktion verwendet werden. Außerdem verzichten wir seit Jahren auf Bitumen, Latex und PVC bei der Rückenbeschichtung unserer Teppiche, auch weil die Stoffe einen starken Eigengeruch besitzen. Wir erhalten oft Lob von Kunden, die den neutralen Geruch unserer Teppiche sehr schätzen.
inperspective: Bei Kleidungsstücken lässt sich anhand des Brands schnell erkennen, zu welcher Marke ein Produkt gehört. Wie wird eine "Teppichmarke" sichtbar?
Martin: Unsere Teppiche zeichnen sich durch den hohen Fokus auf Design und Qualität aus. Sie unterscheiden sich schon beim Anblick von der Masse. Unsere neueste Kollektion fällt durch viele verschiedene Macharten auf. Eine der Qualitäten besitzt eine besonders starke und unregelmäßige Struktur, die handwerklich gefertigt anmutet. In einer anderen Qualität haben wir mit Akzent- und Glanzfäden besondere Farbstimmungen geschaffen, die so am Markt nicht zu finden sind und uns klar von den Wettbewerbern abheben. Ein unkonventioneller Tipp: Einfach an den Teppichen riechen. Dann dürfte schnell klar sein, ob er von uns ist.
inperspective: In den USA liegen in den Umkleidekabinen großer Sportmannschaften häufig Teppiche aus, auf die das Logo des Teams gedruckt ist. Es sind teure und besondere Sonderanfertigungen, Unikate. Welche Wünsche wurden schon an euch herangetragen?
Martin: Das sind unterschiedliche und häufig detailverliebte. Ein Beispiel: Für einen Privatkunden fertigten wir sieben Einzelteppiche an, auf denen er heute seine Harley-Davidson-Sammlung platzieren darf. Für jedes Motorrad bestellte er einen eigens abgepassten Teppich, auf den jeweils der Name der Maschine bestickt ist. Das sind die schönsten Projekte.
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inperspective: Bei Luxusküchen oder speziellen Holzkonstruktionen werden Monteure um den Globus geschickt, um Einrichtungsstudios, Villen und Yachten einzurichten. Beschäftigt ihr auch so eine Service-Crew?
Martin: Früher reisten unsere Techniker um die Welt, um beim Verlegen unserer Teppiche zu helfen. Da gab es teilweise Projekte auf Curaçao oder Madagaskar. Heute entscheiden Architekten, welche Teppiche gekauft werden und leiten diesen Auftrag an Raumeinrichter weiter. Diese erwerben das Produkt bei uns, womit die Gewährleistung auf sie übergeht. Fehler beim Verlegen fallen nicht direkt auf uns zurück, liegen aber trotzdem nicht in unserem Interesse. Deshalb unterstützen wir weiterhin, wo immer wir können und stellen Verlegeanleitungen oder Know-how bereit.
inperspective: Wie bewerbt ihr eure Produkte bei den Architekten?
Martin: Architekten ist wichtig, wie schnell wir ihnen Muster zustellen können. Einen Teppich muss man in der Hand haben, um eine Kaufentscheidung zu treffen. Oftmals erhält der Anbieter den Zuschlag, der am schnellsten liefert. Dazu zeigen wir unsere Produkte auf vielen digitalen Kanälen. Je mehr Informationen und Inspirationen wir vermitteln können, desto besser.
inperspective: Elektrisch höhenverstellbare Schreibtische waren eine wichtige Innovation bei Büromöbeln, dazu kommen Lampen, die automatisch das Licht dimmen oder rollbare Schallabsorber. Welche Innovationsmöglichkeiten gibt es bei Teppichen?
Martin: Dafür braucht es eine Definition von Innovation. Viele Wettbewerber bezeichnen neue Kollektionen als innovativ, obwohl sich die Inhaltsstoffe oder die Struktur nicht vom Vorgänger unterscheiden. Allein der Look hat sich verändert. Bei uns war die Welltex Rückenbeschichtung unserer Teppichfliesen eine signifikante Neuerung. Wir verzichten so, wie bereits erwähnt, auf die Inhaltsstoffe PVC, Bitumen und Latex. Die Teppiche verlieren trotzdem nicht an Qualität. Die Stabilität, die akustische Wirkung und die Langlebigkeit bleiben erhalten.
Eines unserer Ziele ist es, in Zukunft weitestgehend auf Additive und Klebstoffe in unseren Teppichen zu verzichten. Wir arbeiten daran, dass unsere Produkte Duo- oder Mono-Layer sind. Das heißt: Sie bestehen aus maximal zwei Schichten. Damit wollen wir die nachhaltige Kreislaufwirtschaft stärker fokussieren. Alte Teppichböden sollen zu neuen Teppichböden recycelt werden können. Aktuell ist das noch nicht möglich, da es nicht sinnvoll ist, die Stoffe eines Teppichs in kostspieligen und unökologischen Prozessen zu trennen. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir unsere Ziele bezüglich der Circular Economy bald erreichen werden.