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Mit Wänden Geschichten erzählen

Kein Wimmelbild aus dem Kindergarten, sondern ein Entwurf für eine Bürowand in einem IT-Unternehmen.

Die Schweriner Künstlerin und Illustratorin Karen Obenauf verschönert Bürowände mit vielfältigen Designs und detailversessenen Illustrationen. Warum Wände mehr können als Räume trennen – ein Small Talk.

von Hannes Hilbrecht

"Die Wand gefällt uns allen sehr. Jeder aus unserem zehnköpfigen Team kann sich auf ihr wiederfinden. Die Wand ist wie ein Teamfoto, nur das keine Gesichter darauf zu sehen sind, sondern Eigenschaften, Vorlieben, Momente. Das macht sie besonders. Die Geschichten sind in den Details und Konturen verborgen. Jeder, der das erste Mal vor der Wand steht, verfällt ihrem Bann, will sie erkunden, sie entschlüsseln. Diese Wand verführt zum Zeitnehmen, zum Innehalten."

Anne K., Teamleiterin.

Einhorn, Hund, Pizza und Co. – nein, das ist keine makabre Version der beliebten Zoo-Sendungen aus dem öffentlichen Fernsehen. Es ist eine Wand im Büro eines IT-Unternehmens. Sie wurde von der Schweriner Künstlerin Karen Obenauf designt. Karen illustriert normalerweise kleinere Formate. Doch mittlerweile hat die Kreative die Leidenschaft für Bürowände entdeckt, die sie mit Pinsel und Acrylfarbe in große und kleine Eyecatcher verwandelt. Dann ist eine Wand nicht mehr nur eine Wand, sondern ein Kunstwerk. Ein Small Talk.

inperspective: Karen, du bist Illustratorin, Grafikerin, Künstlerin, wir dürfen annehmen, dass du ein gutes Auge hast. Was bedeuten Wände für dich?

Karen Obenauf: Eine Wand spricht immer mich an. Zumindest haben Wände und ihre Gestaltung jedes Mal meine Aufmerksamkeit, wenn ich in einen Raum komme. Wände geben mir häufig die ersten Informationen über die Personen, die den Raum beleben oder nutzen. Wände helfen mir dabei, in ein Gespräch zu kommen. Ich liebe das, wenn ich Kunden das erste Mal treffe. Ich habe dann lieber die Möglichkeit, ein persönliches Gespräch über ein Familienfoto anzufangen, als übers Wetter zu plaudern.

inperspective: Als Künstlerin gestaltest du verschiedenste Oberflächen. Was gefällt dir am Medium Wand?

Karen: Als Illustratorin arbeite ich vor allem im DIN-A5- bis DIN-A1-Format, meist digital. Ich gestalte nach Kundenwünschen Illustrationen für Broschüren, Flyer oder auch Webauftritte. Es ist definitiv eine Herausforderung, dann ein so großes Medium zu bespielen. Eine Fläche, die 2 Meter hoch und 10 Meter lang ist, verlangt körperlich eine ganz andere Arbeitsweise. Dazu kommen die spannenden Oberflächenbeschaffenheiten von Wänden und die speziellen Werkzeuge, mit denen ich an ihnen arbeiten darf.

inperspective: Was kann man bei der Wandverschönerung alles falsch machen?

Karen: Sehr viel. Der richtige Einsatz von Licht und die Farbwahl sind wichtig. Und in meinem Fall: Welcher Stil und welche Formen in den Illustrationen passen zur Funktion, die ein Raum erfüllen muss. In einem Meeting-Raum sind verspielte Motive fehl am Platz. Sie lenken ab. Ist es ein Team-Büro, kann ich über die Wand persönliche Erlebnisse erzählen lassen, die das Team verbinden und motivieren.

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Individualisierte Bürowände sollen Wertschätzung ausdrücken und Teammitglieder verbinden.

inperspective: Wie musst du dich als Künstlerin mit deinen Kunden auseinandersetzen, um deine Kunst mit den Werten und Vorlieben eines Unternehmens zu matchen?

Karen: Zunächst ist es wichtig, zu erfahren, um was für einen Raum es sich handelt, welche Funktionen er ausübt und wer ihn beleben wird. Ich frage mich: Was soll der Raum vermitteln, was soll er anbieten? In meiner Wandgestaltung arbeite ich vor allem mit Illustrationen, ich erzähle Geschichten. Diese Storys sehen sehr individuell aus. In einer Ausstellung des POPPY FILED Kollektivs im DOCK INN in Rostock hatten wir sehr viel Platz, um unsere Arbeiten zu präsentieren. Um die einzelnen Ebenen und Ausstellungsflächen zu verbinden, haben wir mit Tape-Art die Wände illustriert. In einem Büro einer Agentur, in dem nur Programmierer und Entwickler sitzen, habe ich persönliche Elemente wie die Bürohunde, die Lieblingsessen und die Nähe zum Meer gezeichnet.

inperspective: Welche Arbeitsprozesse führen zu so einem Werk?

Karen: In einem persönlichen Gespräch lerne ich die Personen kennen, die in diesem Raum tätig sein werden. Ich mache mir ein Bild von dem Gefühl des Raums und dessen Funktion. Nachdem wir festgelegt haben, in welcher Form wir die Illustration präsentieren, erstelle ich Skizzen. Nach der Freigabe geht es rasch ans Werk. Mal direkt mit Acrylstiften oder Tape auf Wände, mal mit Acryl-Farbe auf Leinwände, die wir dann wiederum individuell positionieren können. Falls ein Team irgendwann umziehen sollte, können die Wände dann mitreisen.

inperspective: Warum ist es sinnvoll, Bürowände so aufwendig zu verzieren? Was bewirkt es?

Karen: Viele Menschen verbringen sehr viel Lebenszeit in ihren Büros. Dann gilt es, diese so zu gestalten, dass sich alle darin wohl fühlen und sich gerne dort aufhalten. Es gibt auch Räume innerhalb eines Bürokomplexes, die eine ganze Firma oder ein bestimmtes Produkt repräsentieren. Diese Inszenierung können die Aussteller sehr gut um eine kreative Wandgestaltung ergänzen.

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Viel Geduld und reichlich Planungsaufwand: Eine Wandgestaltung verlangt viel Akribie.