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»Das ist nicht New Work – das sind traurige Versuche«

Barbara Blenski spricht im Interview über die Erfolgsfaktoren für Menschen, die Heilung von New Work und Unternehmen, die den Wandel verpassen.

Was brauchen Menschen, um erfolgreich zu sein? Was muss passieren, damit New Work eine Patientin ist, die genesen kann? Darüber spricht New-Work-Expertin Barbara Blenski im Interview mit PALMBERG. Dabei auch im Fokus: Unternehmen, die gerade den Wandel versäumen.

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von Hannes Hilbrecht

inperspective: Barbara, warum machst du das, was du tust? 

Barbara Blenski: Ich habe zwei Rollen. Heute erzähle ich aus der Position der ehrenamtlichen Präsidentin des Bundesverbandes New Work. Ich habe mir dieses Thema als persönlichen Auftrag gewählt, weil ich an eine zukunftsfähige Gesellschaft und Wirtschaft glaube. Zum anderen ist es auch die Grundlage meiner Arbeit in der Innovationsberatung. Ich will mit New Work Unternehmen zukunftsfähig und nachhaltig aufstellen.

inperspective: Ihr habt kürzlich das »Big & Growing Festival« veranstaltet. Es geht um New Work, vor allem um New Work in der Krise. Wenn diese sagenumwobene »neue Arbeit« eine kranke Patientin wäre, wie würdest du als Ärztin den Gesundheitszustand beschreiben? 

Barbara Blenski: Aus meiner Sicht ist nicht die Patientin krank, sondern das System Krankenhaus. Es kommen dort ständig falsche Diagnosen zustande. Das Einzige, was den Ärztinnen und Ärzten einfällt? Sie sagen, dass die Patientin krank ist. Alte Messinstrumente und zu traditionelle Prozesse werden nicht hinterfragt. Obwohl sie vielleicht keine Antworten mehr auf die sich verändernde Patientin haben. Und meine Patientin heißt »Work«.

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inperspective: Vom Status quo abgesehen: Wird es nicht mal Zeit, den Begriff New Work zu relaunchen? 

Barbara Blenski: Leider haben wir in den vergangenen Jahren tatsächlich einen Begriff etabliert, der nur im deutschsprachigen Raum existiert. Zudem sorgt er für viele Missinterpretationen. Begriffe wie Modern Work passen wohl eher zur Definition.

inperspective: Wer das Programm eures Festivals anschaut, sieht einen sehr interessanten Slot. Er heißt: »Was passiert, wenn der Mensch die Arbeitswelt verlässt?« Was genau ist damit gemeint?

Barbara Blenski: Man muss wissen, dass das Big & Growing Festival sich besonders an die Gestalter:innen der neuen Arbeitswelt richtet. Jedes Event, welches wir gestalten, hat den Charme eines Reallabors. Wir setzen auf Workshops, methodischen Austausch und Freiraum für neue Ansätze. Wir provozieren gern, weil wir dadurch besser neu denken und gestalten können.

Zum konkreten Slot »Was passiert, wenn der Mensch die Arbeitswelt verlässt?«: Wir verhandeln an diesem Abend den Menschen in seiner Rolle der Arbeitswelt neu. Kritisch, philosophisch, kreativ. Bekannte New Work Autor:innen lesen in und diskutieren zu ihren Büchern.

»Ich will mit New Work Unternehmen zukunftsfähig und nachhaltig aufstellen.«

inperspective: Zuletzt gab es eine neue große Umfrage zum Thema Homeoffice. Fast 25 Prozent der Menschen nutzen Heimarbeit, etwa 13 Prozent sogar überwiegend. Wie hat das Homeoffice die Ideale der New-Work-Bewegung beeinflusst?

Barbara Blenski: Ich kenne die Zahl vom ifo Institut, die sogar nur von 17% aller deutschen Beschäftigten ausgeht. Ich nehme an, dass die Frage auf die Themen Selbstbestimmung, Sinn und Erfüllung, Freiheit und die Kombination von Tätigkeiten anspielt. Ich würde jedoch für eine andere Orientierung plädieren. Am Ende hat nicht das Homeoffice die Ideale von New Work beeinflusst, sondern es war grundsätzlich die digitale Arbeit. Dadurch sind neue Fragen entstanden, die nicht überall beantwortet werden. Wie arbeiten wir als Team bestmöglich zusammen? Wie müssen wir aufgrund der veränderten Situation führen? Wie schaffen wir Eigenverantwortung und höchste Kreativität beim Lösen komplexer Herausforderungen? Und wie gehen wir mit dem steigenden Bedürfnis nach Flexibilität um?

Unternehmen müssen diese Fragen beantworten und Arbeit neu denken. Das heißt: Neu denken nicht im Sinne eines Selbstzwecks, sondern Lösungen für die Tätigkeit der Mitarbeitenden. Dabei muss trotz technologischer Veränderung der Mensch im Mittelpunkt stehen. Daher kommt auch mein Credo: »Zukunftsfähige Arbeit entsteht dort, wo wir Performance und Menschlichkeit zusammen denken.«

inperspective: Braucht New Work das Büro – also eine gemeinsame Umgebung für reale Nähe? 

Barbara Blenski: Grundsätzlich sollte der Ort zu den auszuführenden Tätigkeiten passen. Arbeit ist nicht linear, wir begreifen sie eher als System. In einem unserer vergangenen Events zum Thema »Office Reloaded« wurde dazu ein passender Begriff ins Leben gerufen. „Schieberegler“. Das Team muss gemeinsam entscheiden, wie man am besten wertschöpfend arbeiten kann. Das gilt für einen veränderten Schichtplan genauso wie eine Anpassung der Raumstrukturen für hybride Arbeitsmodelle. Das Bedienen des Schiebereglers verlangt Eigenverantwortung, Partizipation und Kollaboration. 

»Zukunftsfähige Arbeit entsteht dort, wo Performance und Menschlichkeit zusammengedacht werden.«

inperspective: Wie müssen sich Büros verändern, damit wieder mehr Leute sagen: Boah, da gehe ich gerne hin. Da verbringe ich gerne Zeit. Das ist sinnstiftend.

Barbara Blenski: Das hängt von der Antwort auf folgende Fragen ab: Welche Arbeit soll getan werden? Was sind die Bedürfnisse aufgrund dieser Tätigkeiten? Und was benötigen Teams und Individuen für ein wertschöpfendes Miteinander?

inperspective: Wann und warum gehst du überhaupt ins Büro?

Barbara Blenski: Für persönliche Meetings und zum generellen Austausch mit anderen. Oder wenn ich mich mal zum konzentrierten Arbeiten einschließen möchte. Manchmal brauch ich einfach nur einen Ortswechsel. Mein Leben und Arbeiten sind symbiotisch verwachsen, also ist meine Arbeitsroutine sehr individuell. Ich sehe es so: Mein Tag hat 24 Stunden, die ich flexibel nutzen kann. Das ist ein Vorteil als Selbstständige! Und ich habe das Glück, dass mich meine Arbeit ähnlich erfüllt wie die Rolle als Mutter von drei Teenagern in einer Patchworkfamilie.  

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inperspective: Du bist mit vielen Unternehmen und Gestaltenden im Austausch. Was glaubst du, wie viele haben sich überhaupt schon in die Zukunft der gemeinsamen Präsenzarbeit aufgemacht? 

Barbara Blenski: Es findet ein starkes Umdenken statt. Die einen sind bereits im Strukturwandel der Arbeit angekommen und können die Räume für die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden nutzen. Die anderen denken Arbeit noch sehr traditionell. Leider begegnen sie dem Wandel dadurch mit feigenblattartigen Veränderungen der Räumlichkeiten. Das ist aber nicht New Work, das sind die traurigen Versuche eines angenehmen Arbeitsflairs über Obstkörbe, Kickertische und Massagesessel.

inperspective: Gehen wir zurück zum Start. Dort formulierten wir das Bild der New Work als Patientin. Welche Medikamente helfen ihr wieder auf die Beine?

Barbara Blenski: Selbstverantwortung, Resilienz, Vertrauen, Führungskultur, Partizipation, Kollaboration und eine gesunde Portion Beziehungsarbeit. 

inperspective: Was macht dich zuversichtlich, dass wir in fünf Jahren eine positive Phase der Zusammenarbeit erleben?

Barbara Blenski: Dass es wirklich gute Beispiele für wirkungsvolle Arbeit gibt. Dass wir momentan feststehende Begrifflichkeiten wie Schichtpläne neu aushandeln. Dass wir neue Skills erkennen, die wir für gegenwärtige und künftige Formen der Zusammenarbeit benötigen. Und dass der Arbeitsplatz der Zukunft nicht hinter kalten Stellwänden steht, sondern man den idealen Ort für die auszuführende Arbeit gestellt bekommt.