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Bürohunde: Eine tierische Gestaltung

Markus Beyer, Gründer des Bundesverbandes Bürohund, berichtet über die positiven Auswirkungen von Vierbeinern im Büro.

Mehr Leistung, mehr Wohlfühlen, mehr Gesundheit: Hunde sollen beim Co-Working im Büro einiges bewirken. Stimmt das? Und welche tierischen Ansprüche müssen Architekt:innen bei der Bürogestaltung bedenken? Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Bundesverbandes Bürohund e.V..

von Juliana Meyruhn

inperspective: Herr Beyer, der Hund gilt als des Menschen »bester Freund«. Trotzdem werden sie beispielsweise im Frachtraum eines Flugzeuges transportiert oder dürfen oftmals nicht mit ins Restaurant. Warum sollte die Gesellschaft Hunde mehr in das Alltagsgeschehen integrieren?

Markus Beyer: Hunde haben es absolut verdient, gemeinsam mit ihrem Frauchen und Herrchen zu reisen. Sie sind nunmal unsere täglichen Begleiter. Sie ziehen uns aus unserem Trott und bringen uns zum Lächeln. Wir erfahren sehr viel Liebe und führen ein kooperatives Zusammenleben mit ihnen. Ich sehe keinen Grund, sie nicht auch in andere Bereiche zu integrieren.

inperspective: Einer dieser Bereiche ist der Arbeitsplatz. Du hast einen Verein gegründet, der sich für mehr Hunde im Büro einsetzt. Wie viele Vierbeiner wuseln bei euch umher?

Markus Beyer: Unser vierbeiniges Teammitglied ist Golden Retriever Nando. Am 31.12. geboren, wird er seinem Geburtstag in jeder Situation gerecht: Er ist der Knaller. Seit fünf Jahren begleitet er uns fast jeden Tag ins Büro.

inperspective: Welche Vorteile bringen Kolleg:innen wie Nando mit sich?

Markus Beyer: Bürohunde fördern unsere Gesundheit. Sie halten uns in Bewegung, wir verbringen die Mittagspause dank ihnen an der frischen Luft. Sobald wir Hunde streicheln oder bloß ansehen, setzt der menschliche Körper diverse Neurotransmitter frei. Dazu zählen das Bindungshormon Oxytocin und der Glücksbotenstoff Dopamin. Wir müssen instinktiv lächeln.

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inperspective: Welche Wirkung hat es, wenn Nando an deinen Schreibtisch kommt und gestreichelt werden will?

Markus Beyer: Nando betreibt mit seiner Streichel-Aufforderung völlig unbewusst nichts anderes als Nudging.

inperspective: Was ist »Nudging«?

Markus Beyer: Der Begriff entstammt der Verhaltenspsychologie und bedeutet so viel wie »anstupsen«. Nudging ist eine Strategie, um Menschen subtil zu Taten zu bewegen, ohne dass sie sich dazu gedrängt fühlen. Meistens sollen diese Anreize einen positiven Effekt haben.

inperspective: Und das kann Nando?

Markus Beyer: Er nimmt sofort wahr, wenn ich gestresst bin und mein Atem flacher wird. Durch seinen Anstupser holt er mich in die Realität zurück, ich beruhige mich. Bürohunde können krankmachenden Gedanken, Dauerstress und somit langfristig Burnout und Depressionen entgegenwirken.

»Ein Bürohund kann Bestandteil der Gesundheitsstrategie eines Unternehmens sein.«

inperspective: Ein Hund ist häufig der Eisbrecher für Gespräche. Inwiefern beeinflusst der Hund die Kommunikation im Büro?

Markus Beyer: Selbst wenn Mitarbeitende fachlich wenig Schnittmengen haben, kommen sie dank eines Bürohundes ins Gespräch. Er öffnet die unsichtbaren Grenzen zwischen den Abteilungen. Insbesondere die zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden ist oftmals sehr undurchlässig. Liegen Frau oder Herr Betriebsleitung plötzlich auf dem Boden und streicheln den Hund von Grafikerin Gabi, schafft der Hund eine zwischenmenschliche Verbindung.

inperspective: Bürohunde tun Mitarbeiter:innen und somit der Atmosphäre im Unternehmen gut. Wie können Architekt:innen Mensch und Hund eine angenehme Arbeitsatmosphäre in Büroräumen ermöglichen?

Markus Beyer: Sie müssen die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen, auch die der Menschen, die sich vor Hunden fürchten oder Allergien haben. Diese Personen können architektonisch geschützt werden. Architekt:innen sollten bei der Planung genau überlegen, wie sie diese Trennung ermöglichen. Von außen »gekennzeichnete Hundebüros« sind eine Alternative. Auch können sie beiden »Gruppen« separate Wege ins Büro bieten - zum Beispiel durch getrennte Fahrstühle.

inperspective: Wie sollte der Büroraum am sinnvollsten aufgeteilt sein?

Markus Beyer: Großraumbüros gilt es zu vermeiden. Weder Mensch noch Hund finden dort zum Arbeiten oder Entspannen die gewünschte Ruhe. Generell würde ich in jedem Büroraum einen Sichtschutz organisieren. Wenn es mehrere Hunde gibt, ist es wichtig, dass sie sich nicht gegenseitig sehen müssen. Hunde brauchen außerdem ihren Rückzugsort im Büro.

inperspective: Wie kann so ein Rückzugsort aussehen?

Markus Beyer: Ein sicherer Bereich in der Nähe des Schreibtischs wäre das Beste für den Hund. Der Vierbeiner muss in diesen problemlos rein- und rausspazieren können. Das Ziel dieses Platzes soll Entspannung sein. Er soll nicht den Pförtner spielen und die Menschen ständig bewachen. Aus diesem Grund wäre ein Flur sehr unpassend.

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inperspective: Was macht einen sicheren Bereich aus?

Markus Beyer: Innerhalb einer Büroinsel sollte der Hund von möglichen Ablenkungen abgeschirmt sein. Beispielsweise von Menschen, die im Raum auf und ab laufen. Dazu können Planer:innen akustische Raumtrenner installieren, aber auch der Schreibtisch selbst kann als eine Art »Schutzwall« dienen. Wichtig ist, dem Hund zu verdeutlichen, dass er keine Aufgabe übernehmen muss.

BARK, einer der weltweit größten Hersteller von Hundezubehör, möchte mit dem hundefreundliche Büro Mitarbeitende anlocken und halten.

inperspective: Was hältst du von einem Spielzimmer für den Hund?

Markus Beyer: Jede Frage wie »Wie beschäftige ich meinen Hund im Büro?« oder »Welches Spielzeug sollte ich ihm kaufen?« ist in meinen Augen obsolet. Je nach Alter, Rasse und Gesundheitszustand schlafen und dösen Hunde bis zu 80% des Tages. Darum sollte die Zeit im Büro als Entspannung für den Hund gelten. Gespielt wird in der Mittagspause und nach Feierabend.

inperspective: Wie sieht es mit Hunden in Pausenräumen aus?

Markus Beyer: Da dort offene Lebensmittel bearbeitet werden könnten, sollte ein Hund grundsätzlich der Gemeinschaftsküche und dem Pausenraum fernbleiben. Das schreibt ein europäisches Gesetz vor.

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inperspective: Es hat geregnet, Nando ist matschig. Oder er haart phasenweise sehr stark. Hinterlässt vielleicht eine Pfütze oder einen Haufen. Welche Bodenbeläge eignen sich am besten für ein hundefreundliches Büro?

Markus Beyer: Bitte? Nando hinterlässt immer nur Freude im Büro. Nichts anderes. In jedem Fall sollten Büros, in dem sich Hunde aufhalten, mit schmutzabweisenden Materialien ausgestattet sein. Bodenbeläge wie Linoleum, Laminat oder Fliesen, die sich leicht reinigen lassen, wären eine Möglichkeit.

inperspective: Inwiefern wäre ein »Badezimmer« für Hunde sinnvoll?

Markus Beyer: Ich würde es eher als »Trockenraum« für Hunde bezeichnen. Ich rate jedem Unternehmen dazu, in dem Hunde erlaubt sind. Dort können alle Hundebesitzer:innen ihren Hund abtrocknen oder die Füße abduschen. Riechende Handtücher fänden ihren Platz, ohne dass Kolleg:innen sich beschweren. Ein Fön ist natürlich auch prima.

»Ich würde einen Bereich schaffen, der es mir und meinen Kolleg:innen ermöglicht, mit einem sauberen Hund in die Büros zu gehen.«

inperspective: Welches Unternehmen bietet in Deutschland besonders hundefreundliche Büros?

Markus Beyer: Die Axel Springer SE. Mit rund 300 offiziell gemeldeten Bürohunden hat die Verlagsgruppe momentan die Fellnase vorn. Ihr Neubau in Berlin bietet eine Mischung aus Groß- und Kleinraumbüros. Außerdem gibt es dort extra Hundebüros, die Beschäftigte mieten können. Ich finde diese Lösung super. Jegliche Konfrontation mit vielen Menschen oder auch anderen Hunden kann so vermieden werden.

inperspective: Homeoffice und Remote Work haben in den vergangenen drei Jahren das Arbeitsleben bestimmt. Unternehmen bieten nach wie vor mobile Modelle an und überlassen den Mitarbeitenden die Entscheidung über ihren Arbeitsort, von wo sie arbeiten wollen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine offene Willkommenspolitik gegenüber Hunden die Angestellten wieder in die Büros lockt?

Markus Beyer: Sehr hoch. Unternehmen kontaktieren uns und bitten bei der Umsetzung von hundefreundlichen Büros um Hilfe. Wir entwickeln Konzepte, wie sich die Bedürfnisse von Hund, Mensch und Unternehmen in den gegebenen Räumlichkeiten miteinander vereinbaren lassen. Viele Firmen fürchten, dass sie Mitarbeiter:innen verlieren, die sich an das Homeoffice mit Hund gewöhnt haben.

inperspective: Welche Vorteile haben Bürohunde noch für das Unternehmen?

Markus Beyer: Die Firma strahlt nach innen und außen eine andere Wertewelt aus. Mehr potenzielle Mitarbeiter:innen bewerben sich. Work Life Blending wird ermöglicht, die Gesundheit gefördert und die Zufriedenheit im Kollegium steigt. Das alles kommt mit Garantie auch beim Management an.

Eine offene Willkommenspolitik gegenüber Hunden kann Mitarbeiter:innen, die sich an das Homeoffice mit Hund gewöhnt haben, wieder in die Büros locken.

inperspective: Ihr Verein bietet eine Ausbildung zur beziehungsweise zum zertifizierten Integrationsexpert:in an. Inwiefern erleichtert diese Ausbildung die Zulassung von Hunden im Büro?

Markus Beyer: In unserer dreitägigen Ausbildung erklären wir Menschen aus unterschiedlichen Firmen eine strategische Herangehensweise, mit der sich Unternehmen gedanklich verändern können. Die Ausbildung liefert ihnen eine Roadmap mit unterschiedlichen Schritten zur erfolgreichen Integration von Hunden im Büro. Was alle Beteiligten bei dieser Transformation verstehen müssen: Es ist ein Change Prozess und der Hund ist niemals Mittel zum Zweck. Er ist ein vollwertiges Teammitglied.

inperspective: Markus, abschließend: Deine 3 gestalterischen Must-haves für Hunde im Büro!

Markus Beyer: Einen adäquaten Rückzugsort mit Körbchen oder Decke. Ein Napf mit Wasser sollte in jedem Raum stehen, den die Hunde betreten dürfen. Ein »Trockenbereich« für die nassen und schmutzigen Wettertage.

»Wenn ein Unternehmen die Vorteile des Konzepts Bürohund nicht versteht, wird es für Mitarbeitende weniger attraktiv sein.«