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Das Flagship-Office

Heiko Hinrichs ist Vorstand der Syndicate Design AG und ein Experte beim Thema Branding.

Unsere Arbeitswelt verändert sich nachhaltig. Das Homeoffice bestimmt unseren Alltag, so manches Büro ist momentan verwaist. Heiko Hinrichs, Geschäftsführer der Agentur Syndicate Design, entwickelte mit seinem Team ein Tool, das die Unternehmenskultur und die Bedeutung des Büros wieder stärken kann.

von Kevin Berg

inperspective: Die Corona-Pandemie hat Büros und Arbeitswelten durcheinandergewirbelt. Doch wo Chaos ist, sind häufig auch neue Ideen und vielversprechende Chancen. Welche Trends beobachtet ihr momentan?

Heiko Hinrichs: Wir beobachten, dass viele Unternehmen realisiert haben, wie die zukünftige Arbeitswelt aussehen kann. Die ersten Maßnahmen hin zum hybriden Arbeiten, also zu einem Mix aus Homeoffice und Bürozeiten, werden getroffen. Büroflächen und Räume werden umfunktioniert und flexibler genutzt. Einige wenige Unternehmen scheinen die Entwicklung nach Corona noch abwarten zu wollen und hoffen, dass die Situation sich wieder normalisiert. Der Großteil ist aber bereit, umzudenken und das Homeoffice und hybride Arbeitsformen langfristig zu akzeptieren.

inperspective: Das Büro soll sich zu einem "New Normal" und einem Ort der Identifikation entwickeln. Warum ist es heutzutage wichtig, eine starke Bindung zwischen Mitarbeitern und dem Unternehmensstandort zu haben?

Heiko: Besonders in diesen Zeiten besteht durch die Arbeit im Homeoffice kaum noch ein Bezugspunkt zum Büro. Für eine gesunde Unternehmenskultur ist diese Verbindung jedoch wichtig. Studien zeigen zwar, dass bei den Arbeitnehmern eine überwiegend hohe Zufriedenheit im Homeoffice herrscht. Aber nicht jeder fühlt sich mit der Arbeit in den eigenen vier Wänden auf Dauer wohl. Der Mangel an sozialen Kontakten während der Arbeitszeit kann zur Belastung erwachsen. Denn der kreative Austausch und die Kommunikation lassen sich nicht vollständig ins Digitale verlagern. Im schlimmsten Fall kommt es hierdurch zu ineffizientem Arbeiten oder zur Isolation von Mitarbeitern oder ganzen Abteilungen. Die Folge ist eine Erosion der Unternehmenskultur. Um diesen Prozess zu verhindern, braucht es eine feste Bindung zwischen Mitarbeitern, Kunden und dem Unternehmensstandort.

inperspective: Ihr habt ein Tool entwickelt, das Unternehmen dabei helfen soll, die passende Arbeitsumgebung zu finden. Welchen Mehrwert schafft ihr damit?

Heiko: Wir haben mit dem Tool B. O. X. (Brand, Operations, Experience) einen Prozess entwickelt, der Unternehmen bei der Reorganisation und Neuausrichtung unterstützt. Wir erstellen Raum-, Flächen- und Funktionskonzepte, die die Marke erlebbar machen. Damit wollen wir die Unternehmenskultur stärken, den Zusammenhalt untereinander fördern und eine Abgrenzung von Wettbewerbern erreichen. Wir entwerfen für unsere Kunden Büroflächen, die Inspiration, Motivation und Identifikation stiften, besonders wenn Mitarbeiter künftig nur zeitweise ins Büro kommen. Für diese Zeit im Office ist es wichtig, dass der Arbeitgeber unternehmensrelevante Anlässe schafft. 

inperspective: Was war eure Motivation, "B. O. X." als Tool und Prozess zu entwickeln?

Heiko: Durch den coronabedingten Wandel der Arbeitswelten rücken neue Funktionalitäten und Anforderungen in den Vordergrund. Mit einer Reduzierung der Bürofläche allein ist es jedoch nicht getan. Das Büro muss neu organisiert, geplant und gestaltet werden – in der Fläche und konzeptionell. Um all das zu gewährleisten, reicht es heutzutage nicht aus, dass wir uns einmal mit dem Entscheider zusammensetzen und unsere Gedanken präsentieren. Mit unserem Tool wollen wir den Kunden von der Idee bis zur Umsetzung und Weiterentwicklung begleiten und gemeinsam die besten Lösungen erarbeiten.

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inperspective: An welche konkreten Unternehmen richtet ihr euch mit eurem Tool?

Heiko Hinrichs: Wir haben keine klar definierte Zielgruppe. Jedes Unternehmen kann auf uns zukommen. Gemeinsam mit dem Kunden entwickeln wir Individuallösungen. Das einzig Standardisierte ist die Formel, die wir immer wieder mit neuen Werten speisen. Ob ein Unternehmen den gesamten Prozess des Tools durchläuft oder nur einzelne Teile davon in Anspruch nehmen will, ist irrelevant.

inperspective: Ein Kunde hat die Neugestaltung seines Büros bei euch gebucht: Wie läuft die Arbeit mit eurem Tool ab?

Heiko: An einem Projekt sind bei uns bis zu fünf Leute beteiligt. Je nachdem, wie komplex die Aufgabe ist. Unsere Projektteams bestehen aus Innenarchitekten, Designern, Ingenieuren oder Kommunikationsdesignern, die ihr Fachwissen in das Konzept einbringen. Zunächst analysieren wir den Istzustand und durchleuchten das Unternehmen komplett. In diesem Prozess lernen wir die Arbeitsweise, Anforderungen und die Kultur kennen. Erst wenn wir diese Infos haben, können wir etwas gestalten. Durch Workshops, an denen alle relevanten Stakeholder teilnehmen, formulieren wir realistische Handlungsempfehlungen. An diesem Punkt würde eine normale Beratung enden. Doch wir versuchen im nächsten Schritt, die Marken-DNA und die Wünsche des Kunden in Raum- und Flächenkonzepten zu integrieren. So wollen wir ein motivierendes Arbeits- und Markenumfeld schaffen. Im Zusammenspiel aller Experten entscheiden wir über Farben, Bodenbeläge oder Designelemente.

inperspective: Wieso ist es für das heutige Büro wichtig, dass es die Werte von Unternehmen widerspiegelt?

Heiko: Durch die steigende Tätigkeit im Homeoffice kann es zu einer Entfremdung zwischen Unternehmen und deren Mitarbeitern kommen. Dieser Gefahr kann das Büro starke Identifikationsakzente entgegensetzen. Mitarbeiter sollen erleben können, für welch großartiges Unternehmen sie tagein und tagaus ihr Bestes geben. Das Büro muss ein Ort werden, an dem die Marke in einer digitalen Welt ein analoges Zuhause hat und geschätzt und geliebt wird. Das Büro wird zu einem Flagship-Office, einer Repräsentanz zum Vorzeigen. Das schafft eine starke Bindung zwischen allen Parteien.

inperspective: Welche Rolle wird das Büro zukünftig einnehmen?

Heiko: Es wird sich in Nutzung und Größe von heutigen Büros unterscheiden. In Zukunft werden Büroflächen zu einem Ort des kommunikativen Austausches, an dem der Teamgeist und die Zusammengehörigkeit der Mitarbeiter gefördert werden. Dafür braucht es flexibel nutzbare Flächen für Meetings, Workshops oder den kleinen Plausch zwischendurch. Feste Arbeitsplätze werden zur Seltenheit und wandelbare Gemeinschaftsräume immer wichtiger und präsenter.

inperspective: Noch befinden wir uns im Prozess des rasanten Wandels. Aber wie sehen die Büros der Zukunft aus, wenn sich die – momentan sehr aufgeregte – Gemengelage beruhigt hat?

Heiko: Das ortsunabhängige Arbeiten wird auch nach der Pandemie fester Bestandteil unserer Arbeitswelt sein. Das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut IFO hat in einer Umfrage ermittelt, dass 54 Prozent der Unternehmen die Arbeit von zu Hause stärker etablieren wollen. Viele davon werden sich auf Dauer für Homeoffice und hybride Arbeitsmodelle entscheiden. Wobei der Anteil der Heimarbeit wahrscheinlich wieder etwas zurückgehen wird. Umso wichtiger ist es, dass die Unternehmen auf diesen Wandel reagieren.

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