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Ortsunabhängkeit: Wo wollen wir arbeiten?

Digital-Crack Alexander Kornelsen arbeitet gerne im Büro oder in seinem Camper-Van.

Der eine ist Homeoffice-Junkie, der andere liebt seinen Büroarbeitsplatz. Die kreativen Arbeitsnerds Alexander Kornelsen und Andreas Weck denken, sprechen und schreiben seit Jahren über die Zukunft der Arbeit. Welche Trends sie erwarten, wie langfristig Corona Bürogewohnheiten prägen wird und wie sie künftig das Büro als Arbeitsort sehen: zwei Gedankenprotokolle.

von Hannes Hilbrecht

Alexander Kornelsen ist Head of Marketing der GROW Digital Group und zusätzlich Host des Podcasts "New Work Stories". Zuvor arbeitete er als erfolgreicher Unternehmensberater für die Agentur Venture Idea und ist Mitautor des gefragten Sachbuches "Good Job!".

Die Ressource Büro organisieren


"Die Arbeit von daheim funktioniert und das sogar sehr gut. Das Homeoffice gefällt vielen Menschen, auch vielen Kollegen von mir, deswegen ist es im Büro ziemlich leer, wovon ich profitiere, denn: Ich arbeite gerne im Büro. Dort bin ich für gewöhnlich konzentrierter als in der eigenen Wohnung, in der es bekanntermaßen deutlich mehr Ablenkungen gibt. Ich persönliche brauche den mentalen Abstand zwischen Arbeitsplatz und meinem Zuhause. Deswegen bin ich sicher: Ein hybrides Modell aus Homeoffice und Büro wird ein signifikanter Teil meiner Arbeitskultur bleiben. Das höre ich aber auch in Gesprächen mit den unterschiedlichsten Menschen, egal ob im Hauptjob oder im Podcast.

Unsere Aufgabe ist es also, Homeoffice und Büro besser miteinander zu verbinden. Digital klappt diese Vernetzung bereits. Wir können von zu Hause beinahe alles erledigen, was vor ein paar Jahren nur im Büro möglich war. Das sorgt dafür, dass die Büros und manche der Vorteile, die sie einst gegenüber dem Homeoffice hatten, an Bedeutung verlieren.

Was es zu tun gibt, ist relativ klar. Das, was ein Büro besser kann als ein Homeoffice, vernetzen, Identität stiften, inspirieren, müssen wir künftig stärker fokussieren. Das heißt: Es braucht mehr Kollaborationsräume, mehr Inspirationsquellen, mehr Raum für Austausch. Feste Flächen, die bisher für die Stillarbeit vorgesehen waren, werden nicht komplett verschwinden, aber an Relevanz verlieren. Dieser Trend lässt sich nicht mehr stoppen. Wir müssen daher dafür sorgen, dass wir ihn in die richtigen Bahnen lenken und wie wir die Probleme, die dieser Trend verursachen könnte, frühzeitig verstehen und vermeiden.

Wenn plötzlich mehr Leute im Büro sind, als es Arbeitsplätze gibt, was in Stichzeiten immer mal wieder vorkommen kann, ist das für die Beteiligten frustrierend. Wenn jemand punktuell ins Büro fährt, aber die Kollegen, mit denen die Person sprechen will, nicht anwesend sind, ist es genauso ärgerlich. Wir müssen die Nutzung und den Umgang mit der Ressource Büro künftig besser organisieren.

Bei der GROW Digital Group haben wir deswegen das Desksharing-Tool 1.50 Office (wegen 1.50 Meter Abstand!) entwickelt, das wir im Alltag bereits effektiv nutzen und andere Unternehmen ebenso kostenlos anwenden können. Mit diesem digitalen Werkzeug können sich Mitarbeitende vor der Fahrt ins Büro einen Schreibtisch reservieren.

Als uns der Lockdown und die Kontaktbeschränkungen das erste Mal ereilten, waren wir nicht darauf vorbereitet. Jetzt sind wir es. Sich über private Nachrichten abzustimmen, wer wann ins Büro kann und wer nicht, ist mühselig und fehleranfällig. Durch das Buchungstool ist nun transparent sichtbar, wie stark die Räume ausgelastet sind. 

Sogar dann, wenn die Pandemie vorbei ist, wird das Tool für uns nützlich und hilfreich bleiben. Wir sehen, wer im Büro anwesend sein wird und können rechzeitig abschätzen, ob sich der Arbeitsweg am nächsten Tag für uns lohnt. Wir können davon absehen, ins Büro zu fahren, wenn es sehr voll ist und sich die konzentrierte Arbeit eventuell schwieriger gestalten wird als üblich. Und wir bekommen belastbare Daten, die uns zeigen, wie intensiv Mitarbeiter bestimmte Räume und Zonen überhaupt nutzen. Die könnten helfen, frühzeitig Muster und Trends zu erkennen. Mit diesem Wissen können wir Workspaces künftig noch klüger konzipieren.

Ich persönlich werde in diesem Jahr – hoffentlich – noch oft im Büro arbeiten. Durch meine Tätigkeit, die das Reisen an mehrere Standorte verlangt, werde ich sogar häufiger in für mich ungewohnte Arbeitsräume eintauchen. Deshalb ist eine gute Planung und ein sorgfältiger Umgang mit der Ressource Büro für mich sehr wichtig."

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Alexander Kornelsen ist Host des beliebten Podcasts "New Work Stories".

Andreas Weck, Redakteur beim Magazin t3n, gilt als einer der wichtigsten deutschen Autoren in den Bereichen Karriere und New Work. Der Journalist beleuchtet weltweit spannende neue Arbeitsmodelle, antizipiert Trends und spricht mit internationalen Vordenkern.

Besser Feedbacken – Im Büro und digital

"Früher habe ich es wirklich nicht gemocht: Montagmorgens sehr, sehr früh aufstehen und mit dem Zug von Berlin nach Hannover in die Redaktion reisen und abends wieder zurück. Gefühlt brauchte ich das nicht.

Mir liegt das Homeoffice, ich bin das ortsunabhängige Arbeiten gewöhnt. Dass ich in Berlin lebe, mein fester Arbeitsplatz sich aber eigentlich in Hannover befindet, stört mich im Alltag nicht. Im Gegenteil: Ich schätze die Freiheit und oft auch die Ruhe. Damals, vor Corona, hätte ich mir selbst die kurzen Stippvisiten zur wöchentlichen Redaktionskonferenz gerne gespart. Das geht doch auch alles digital, dachte ich häufiger.

Heute vermisse ich es, montags in aller Frühe nach Hannover zu pendeln. Mir fehlt die Möglichkeit, das Bürogeschehen zu erleben. Vieles, was ich dort bereits an wenigen Tagen im Monat an Stimmungen und Eindrücken aufnehmen konnte, flutscht heute an mir vorbei. Auf den Rückfahrten von Hannover in die Hauptstadt war es zudem üblich, mit den anderen Berliner Kollegen viele dieser gewonnen Eindrücke direkt zu verarbeiten. Der Vierertisch, den wir uns häufig teilten, war wichtiger, als ich glauben mochte.

So wie mir geht es vielen anderen: Wir schätzen plötzlich etwas, was momentan nicht mehr da ist, was vorher selbstverständlich und vielleicht sogar als lästig empfunden wurde. Mein Vorteil ist: Ich hatte einige Jahre Zeit, mich an die Vorteile und Herausforderungen der Alleinarbeit zu gewöhnen; ich hatte ausreichend Zeit, die digitale Kommunikation zu verstehen.

Viele andere sind ziemlich unvermittelt in das Homeoffice hineingeraten. Ihnen fehlt nicht bloß der Austausch, die Struktur, sondern auch die Feedbackkultur. Ein Small Talk oder ein Lächeln von der Vorgesetztin oder dem Vorgesetzten. Ich denke, Unternehmen haben in diesem Bereich in der Krise den meisten Nachholbedarf gezeigt. Sie müssen besser und enger feedbacken, auch emotional, damit sich für manche Kolleginnen und Kollegen das Gefühl der Isolation nicht verstärkt.

Doch wie gehen wir mit dem Thema Distanz im Büro um, wenn wir die Pandemie zu kontrollieren verstehen, die Impfstrategie aufgeht und es ein neues Normal gibt? Ich vermute, das manche Mauern, die wir eingerissen haben, zurückkehren könnten. Denn Corona, das prognostizieren Wissenschaftler, wird ein Teil des Alltags bleiben und ähnlich wie die Influenza zwar eingedämmt sein, aber nicht mehr komplett verschwinden. Auch ist es wahrscheinlich, dass diese Pandemie nicht die letzte war, die uns ereilen wird. Selbst wenn die Menschen in die Arbeitswelten zurückströmen, wird das Abstandhalten ein Teil unserer Alltagsgewohnheiten bleiben.

Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen noch regelmäßiger, genauer und wertschätzender intern kommunizieren – von Angesicht zu Angesicht in den Büroräumen, aber auch digital ins Homeoffice der Mitarbeiter."

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Andreas Weck schreibt als Journalist für das Magazin t3n.