Menü öffnen

Simsala-BIM: Die Magie einer Software

Die Digitalisierung erobert die Planung, aus 2D wird 7D. Davon können alle profitieren, findet unser Autor.

Das Building Information Modeling revolutioniert seit einigen Jahren die Baubranche. Warum auch bei der Planung von Büros alle Beteiligten von BIM profitieren können. Eine Einschätzung.

von Hannes Hilbrecht

Sogenannte “Fail Videos” überschwemmen das Internet. Auch zum Thema “Bauen” gibt es viele skurrile Highlights. Unzureichend geplante Treppen, unnütze Balkone oder Einfahrten, durch die ganz sicher nie ein Auto fahren können wird, sind virale Hits im Web.

Häufig bleiben die allergrößten Fails zunächst verborgen. Schöne Fassaden verstecken den madigen Kern. So manchem Bauprojekt ereilt das Schicksal eines Millionengrabs offensichtlicher. Der Berliner Flughafen avancierte beispielsweise zu einem prominenten Schaustück, das zeigt, wie Bauen nicht geht.

Die Kraft von BIM

Seit ein paar Jahren erobert jedoch ein unscheinbares Wort die Baubranche, das Pleiten, Pech und Pannen bei der Entwicklung von Immobilienprojekten künftig verhindern soll: BIM. Gemeint ist damit das Building Information Modeling, der digitale Nachbau von Gebäuden in bis zu sieben Dimensionen. 

BIM ist die neue, verheißungsvolle Magie in der Baubranche. Projekte werden von modernen Architekten und Projektleitern nicht mehr nur detailliert gezeichnet und maßstabsgerecht auf Papier gebracht, sondern digital zum “Leben erweckt”. Durch moderne Softwares lassen nicht nur Bauprozesse oder der Materialeinsatz besser planen. Auch das, was ein Gebäude langfristig können muss, kann noch vor dem ersten Spatenstich digital getestet werden. Besonders verlockend: Mit Virtual-Reality-Technik können Unternehmer und Mitarbeiter schon vor Projektbeginn durch ihre neu eingerichteten Büros wandern.

Was sich bei der Konzeption von Neubauten längst bewährt, bietet also auch für Innenarchitekten und Büroplaner große Vorteile. BIM kann die Büroplanung langfristig verändern – und das zum Wohle aller Beteiligten. 

Eine bessere Arbeitsgrundlage für Innenarchitekten und Planer

BIM löst vor allem ein großes Problem von Büroplanern und Innenarchitekten. Die schildern vermehrt eine Sorge: Das, was in den Gebäuden am Ende entstehen soll, wird bei vielen Neubauten von Bürokomplexen erst viel zu spät fokussiert. “Unternehmen planen mit Architekten nach bestem Gewissen Arbeitsflächen, doch haben sie vor der Entwicklung kaum konkrete Vorstellungen der Büros. Dass dadurch ungünstig geschnittene Räume entstehen, fällt zunächst niemandem auf. Innenarchitekten und Raumgestalter können dann nur noch das Beste aus den fertigen Bauklötzen machen”, sagt die Planerin Annette Hoerauf im Interview mit inperspective.

Die Möglichkeit, dass durch BIM und Virtual Reality Bürogebäude nicht nur sichtbar, sondern auch begehbar werden, ist daher eine große Chance für Planer und Innenarchitekten. Sie können schon vor dem Baustart eines Objekts das entsprechende Büro-Design entwickeln und anhand der digitalen Simulationen anschaulich auf mögliche Planungsfehler hinweisen, die das gewünschte Endergebnis, ein optimales Büro, gefährden. 

Auch bei Bestandsobjekten unterstützt BIM Architekten und Planer merklich. Dann nämlich, wenn die Gestaltungsideen besonders umfangreiche Baumaßnahmen erfordern wie den Abriss von Mauern oder einer kompletten Neustrukturierung der vorhandenen Flächen. Mussten bisher Workspace-Designer ausführlich argumentieren und auf die Fantasie der Kunden setzen, bieten visuelle Simulationen einen viel größeren Hebel. Die Entscheider erleben wahrhaftig, was sich hinter den mitunter kostenintensiven Vorschlägen verbirgt. Das Building Information Modeling liefert Planern und Innenarchitekten eine neue Argumentationsgrundlage.

Keine Folgeprobleme für Mitarbeiter

Glasfassaden machen etwas her. Sie gehören in den Bankenvierteln von Großstädten zum (gewünschten) mondänen Erscheinungsbild. Glas bietet auch neben der Optik zahlreiche Vorteile. Wie wichtig natürliches Tageslicht für die Gesundheit der Mitarbeiter ist, bestätigen Forscher mit ihren Studien. Doch manchmal können Glasfassaden für einen gegenteiligen Effekt sorgen: Es wird zu heiß in den Büros. Oder das einfallende Sonnenlicht ist viel zu grell und beeinträchtigt die Augen.

BIM kann diesen Fehlern vorbeugen. Denn digitale Abbilder liefern weitaus mehr als einen optischen Vorgeschmack auf das Büro. Mit Daten und Informationen zur geografischen Ausrichtung, den verwendeten Materialien oder den verbauten Fenstern lässt sich berechnen, wie sehr sich ein Gebäude bei hoher Sonneneinstrahlung oder warmen Außentemperaturen aufheizen kann. Ähnliches gilt für die Raumluft. Auch hier kann durch Berechnungen und BIM-Simulationen gemessen werden, ob die konzipierten Büros überhaupt alltagstauglich sind. Die durch BIM ermöglichten Testläufe können echte Mängel frühzeitig entlarven und so Mitarbeiter vor schlechten Arbeitsbedingungen schützen. 

Kostensparend für Unternehmer

Die genaue Analyse, wie sich Variablen wie Licht, Luftqualität und Temperatur in einem Raum verhalten, der eigentlich noch gar nicht existiert, ist für Unternehmen besonders spannend. Hier lauern nicht nur Potenziale für eine angenehme und gesunde Arbeitsatmosphäre, sondern auch finanzielle Einsparungsmöglichkeiten. Und ganz wichtig: die Chance, etwas Gutes für die Umwelt zu tun.

Je umfassender ein Büro klimatisiert, also beheizt oder gekühlt werden muss, desto negativer ist die Umweltbilanz. Zudem sind die Nutzungskosten von Bürogebäuden oft ein unterschätzter Faktor. Die Aufwände für den Betrieb von Büroflächen übersteigen auf lange Sicht die einmaligen Errichtungskosten um ein Vielfaches. Wer unklug oder zu günstig baut, begleicht die Zeche erst mit den Jahren. Wie wichtig BIM für das Facility-Management sein kann, betonen Experten immer wieder. So schreibt der US-Architekt Frank Cunha: "Studien belegen, dass mehr als 90% der gesamten Lebenszykluskosten von Gebäuden mit der Wartung und dem Betrieb von Anlagen zusammenhängen. Immobilien- und Gebäudeverwalter zeigen deshalb zunehmend Interesse am Einsatz von BIM im Gebäudemanagement."

Dank BIM können ineffiziente Büros vermieden werden. Anders als früher, als man geografische Ausrichtung, Baumaterialien und Faktoren wie Fenstergrößen eher aus einem Bauchgefühl oder aus – vermeintlich – kostensparenden Motiven festlegte, beruht beim Building Information alles auf physikalischen und mathematischen Fakten. Sogar die Wärme, die durch die Mitarbeiter oder der verwendeten Technik entsteht, kalkulieren die Programme ein. So können Büroplaner noch vor der Verteilung von Arbeitsplätzen prüfen, ob dieser Raum überhaupt für eine Mitarbeiteranzahl "X" geeignet ist.

Die beliebte Phrase “Woher hätten wir das wissen sollen” wird dank des Building Information Modeling vielleicht aus der Bauwelt verschwinden. Und das zum Wohle von Architekten, Planern, Unternehmen und Mitarbeitern.