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Aus Turnpferd wird Sitzbank

Früher verausgabten sich Schüler auf dem Pferd, heute lädt es zum entspannten Verweilen ein. Hardcrafted aus Hamburg designt hochwertige Möbel.

Aus alt macht er neu. Der Hamburger Unternehmer Markus Farwick entwickelt und verkauft Designermöbel, die vorher ausrangierte Turngeräte waren. Ein Best Practice zum Thema Upcycling.

von Hannes Hilbrecht

1. Die Möbel

Als Erstes ist da dieser Geruch von Turnhalle. Es riecht aber nicht nach Schweiß oder kaltem Linoleumboden, sondern nach altem Leder. Genauer: nach Medizinball oder dem gefürchteten Turnbock. 

Das prägnant duftende Leder ziert den Deckel eines mehrstufigen Holzkastens. Den bauchigen Körper eines Bocks. Die robuste und gleichzeitig elegante Form eines Turnpferds. 

Das, was nach Sporthalle riecht, hat sich tatsächlich ein ganzes Möbelleben im Schulunterricht verdingt. Tränen sind wegen dieser altehrwürdigen Gerätschaften geflossen und Urängste entstanden. Andererseits wurden auch Einsen erturnt, das Selbstvertrauen genährt.

In seinem neuen Möbelleben fungiert das Pferd nicht mehr als Plage von Pubertierenden, sondern als stylishes Sitzmöbel. Der Kasten dient als Couchtisch, der Bock als Raumdeko. Andere Elemente wurden zum Konferenztisch verschraubt. Die Geräte haben die Schweißtempel verlassen und stehen nun in modernen Büros, Galerien oder in Appartements mit Fußbodenheizung. Keine schwitzigen Jugendlichenhände packen sie mehr an, sondern feinfühlige Finger von glücklichen Kunden. Die Hände ihrer neuen Besitzer schätzen die Geräte wert. "Die Patina, die über die vielen Jahre der Nutzung enstanden ist, muss bleiben! Das ist meinen Kunden wichtig. Sie erwarten und wollen genau das", sagt Markus Farwick. 

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 2. Der Macher


Markus Farwick ist der Gründer von Hardcrafted. Das Hamburger Unternehmen veredelt ausgemusterte Turngeräte zu hochwertigen Möbeln. Farwick, ein sportlicher Mann, kauft Kommunen die Geräte ab und lagert sie ein. Bestellt ein Kunde ein Produkt aus dem Onlineshop von Hardcrafted, wird das Turngerät in einer Meistertischlerei aufbereitet. Schleifen, lackieren, wieder satteln – das komplette Möbelstück wird kernüberholt. Bleiben sollen nur der Charme und die Optik. 


Überhaupt an die Geräte zu kommen, das war zunächst harte Arbeit. Markus Farwick erklärt: "Zu Beginn war das typische Kaltakquise, Klinkenputzen auf gut Glück. Schulen und Kommunen anschreiben, das zeitweise jeden Tag. Mittlerweile besitze ich die Kontakte, und die Verkäufer wissen, was ich vorhabe. Jetzt ist es viel einfacher."

Markus Farwick ist der kreative und unternehmerische Kopf hinter Hardcrafted.

3. Die Gründung


2010 arbeitet Markus Farwick bei eBay in Berlin. Ein guter Job, auch weil er dort erkennt, was es nicht alles für Nischen gibt, in denen Menschen Begeisterung finden. Alte Turnelemente wie Medizinbälle oder Kegel sind schon damals als Dekorationsartikel beliebt. In Markus, der einen Faible hat für das Alte und das Wertige, für Vintage, keimt eine Idee. 

2013 gründet er Hardcrafted als Soloprojekt. Er kümmert sich um das Auftreiben der für ihn kostbaren Ressourcen, die andernorts vor der Entsorgung stehen. Er entwickelt und designt Möbelideen, zieht den digitalen Vertrieb und das Marketing auf. "Die Kunden wollen Qualität, etwas Besonderes, Unikate. Ich verkaufe die Möbel an Geschäftskunden und an Privatleute. Wobei der B2B-Bereich für den Hauptumsatz sorgt", sagt Markus Farwick.


4. Die Nachhaltigkeit 


Die Kunden müssen manchmal ein wenig warten. Produziert wird ausschließlich nach Order. Markus möchte sein Unternehmen schlank halten und nachhaltig. Bloß nichts herstellen, das am Ende vielleicht niemand will. 

Ordert ein Kunde ein Produkt, leitet Markus Farwick den Auftrag an eine seiner Schreinereien weiter. Bei kleineren Privatbestellungen sind die Möbel innerhalb von 15 Werktagen fertig. Bei Großbestellungen für Büros oder andere Gewerbeflächen dauert es mitunter mehrere Wochen. Für Markus Farwick ist das kein gravierendes Problem. Kunden, die bei ihm bestellen, haben Geduld. "Sie erhalten echte Unikate. Kein Möbelstück gleicht dem anderen. Jedes hat in den Jahren der Benutzung individuelle Merkmale bekommen. Kunden, denen das wichtig ist, warten lieber, als austauschbare Stangenware zu nehmen", sagt Markus Farwick.

Medizinbälle dekorieren nicht nur Büros und inspirieren mit ihrem Duft, sie stehen neuerdings auch dem Hamburger Hafen ganz gut.

5. Die Kunden


Zu den Kunden von Hardcrafted zählen Unternehmen wie Adidas oder Facebook Deutschland. Sie wollen nicht nur stylishe Möbel, sondern auch nachhaltiges Interieur in ihren Arbeitswelten arrangieren.

Der Upcycling-Gedanke motiviert Markus Farwick immer wieder aufs Neue für seine Projekte. Es wird nichts blindlings entsorgt, sondern ein neuer Zweck für den vermeintlichen "Unrat" gesucht. Davon profitieren alle Beteiligten, sogar die Umwelt. "Die Turngeräte sind so robust und handwerklich toll gebaut, dass sie gut gepflegt noch 100 Jahre in Büros oder Wohnungen stehen können. Wie verschwenderisch wäre es, wenn wir diese Potenziale nicht ausschöpfen würden", sagt Markus Farwick. 


Besonders  die Verarbeitung und die eingesetzten Materialien überzeugen ihn. Diese sorgen für die natürliche Langlebigkeit seiner Möbel. Weil sich das mittlerweile bei den neueren Turngeräten nicht mehr so leicht und sicher sagen lässt, ist die Verfügbarkeit von nutzbaren Exemplaren mitunter begrenzt und vielleicht bald aufgebraucht. Markus Farwick erklärt: "Ich achte sehr darauf, dass die Möbel nicht zu jung sind. Die Verarbeitungsqualität der Turngeräte nimmt leider ab. Da muss ich zeitliche Grenzen ziehen."

6. Das richtige Maß

Markus ist Verkäufer und er ist Berater. Neben seiner Selbstständigkeit berät er Unternehmen aus der Möbelbranche. Er weiß, was das Beste ist für seine Kunden. Manchen rät er davon ab, zu ausschweifend bei ihm zu bestellen. Wer zu viele Möbel kauft, zu viel dekoriert, sorgt durch die Masse an Elementen dafür, dass die Stücke ihren Charme des Einzigartigen verlieren. "Viel ist nicht immer gut. Wenn wir Akzente überdosiert einsetzen, fallen die Möbel, die einem besonders gefallen sollen, kaum noch auf. Es kommt sehr auf die richtige Auswahl und den richtigen Ort an", sagt Markus Farwick. Für ihn gilt in jeder Möbelfrage: Qualität vor Quantität.

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