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Blau ist eine produktive Farbe

Beim Co-Working-Space-Anbieter dominieren bunte Farben die Büro-Designs.

Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Forscher und Unternehmen mit der psychologischen Wirkung von Farben. Ein Streifzug durch die weltweite Farbwissenschaft verrät große Potenziale für moderne Arbeitswelten. Eine Analyse.

von Hannes Hilbrecht

“Farben sprechen alle Sprachen”, schrieb der englische Dichter Joseph Addison bereits vor über 300 Jahren. Der deutsche Experimentalpsychologie David Katz ergänzte später: “Die Farbe, nicht die Form, ist mehr mit der Emotion verbunden”. 

Die Macht der farblichen Reize auf Menschen ist enorm. Farben stimulieren verschiedene Areale im Gehirn. Sie können beruhigen oder temperamentvolle Gefühle anregen. Sie können das menschliche Verlangen nach einem Produkt steigern, ohne dass die Konsumenten davon etwas bewusst mitbekommen. Kein Wunder, dass sich die Werbewelt seit einer halben Ewigkeit mit der psychologischen Wirkung von Farben beschäftigt.

Goodbye Raufasertapete?

Auch an dem Ort, an dem Farben lange schweigen mussten, wurden sie in den vergangenen Jahren immer lauter: in den Büros. Die Vorherrschaft der grauen Teppiche und der weißen Raufasertapete scheint vorbei. Die Büros werden lebendiger, nicht nur die Bürowände bekommen Farbe. Auch die Stühle, Tische, Flokatis und Akustikelemente strahlen in vielfältiger Couleur. Manche Unternehmen setzen sogar auf Wände aus grünen Pflanzen. Grün wirkt schließlich erholsam, beruhigend, fröhlich und gesundheitsfördernd, wie der englische Philosoph Paul Brunton bereits zu Beginn des 20. Jahrhundert schrieb. Egal welches Raumkonzept Innenarchitekten anstreben – ob moderner Prunk oder Minimalismus – farbliche Elemente dominieren die meisten neuen Arbeitswelten.

Ist die Macht der Farben real?

Doch wie beeinflusst die farbliche Atmosphäre die Mitarbeiter und deren Leistung im Job? Ist die Macht der Farben auch im Arbeitsalltag real? “Sie können die Botschaft eines ganzen Raums verändern”, sagt zum Beispiel die Raumgestalterin Annette Hoerauf, die sich in ihren Projekten besonders auf raumpsychologische Konzepte konzentriert.

Aber welche Farbe entfaltet welche Kraft im Büro? Ein Streifzug durch die weltweite Farbwissenschaft verrät große Potenziale. Wie die Farben im Büro wirken, hängt aber besonders von den Aufgaben ab, die in den jeweiligen Räumen gelöst und bearbeitet werden müssen. Im Jahr 2009 schrieb die kanadische Forscherin Juliet Zhu von der University British Columbia: “Vorherige Studien kamen zu derselben Schlussfolgerung, das blau und rot die kognitiven Prozesse besonders anregen. Sie widersprachen sich aber darin, welche Farbe die größeren Effekte erzielt. Wir wissen nun, dass die Wirkung der Farben von der genauen Tätigkeit abhängt.

Blau - die Farbe der Produktivität

Der Himmel und die Ozeane sind blau. Die Menschen assoziieren die Farbe mit Weite. “Das ermutigt zum Querdenken”, schreibt Forscherin Zhu. Zahlreiche Tests bestätigen diese Annahme. Probanden, die kreative Aufgaben an einem Computer lösen sollten, generierten in einer blauen Arbeitsumgebung doppelt so viele Ergebnisse wie in einer roten. Experten des belgischen Unternehmens Space Refinery, das moderne Arbeitswelten designt, empfehlen blaue Farbakzente besonders für den Open Space und für Meetingräume.

Die Farbe Blau entfacht bei vielen Menschen neben einer produktiven Grundstimmung auch optimistische Gefühle, wie die Forscher im kanadischen British Columbia ermittelten. Das zeigt sich auch im Marketing. Eine Zahnpasta-Marke fand so heraus, dass positive Produktversprechen wie “ein Effekt von weißeren Zähnen” auf einem blauen Untergrund besonders nachhaltig bei den Konsumenten ankommen.

Blau macht produktiv und optimistisch. Motiviert das Mitarbeiter auch zu Höchstleistungen beim Küchendienst?

Rot - der Körper in Wallung

Apropos Zahnpasta. Ganz anders als blau, das positive Aussagen besonders hervorhebt, wirkt rot besonders bei negativen Botschaften stark. So lassen sich Pasten, die beispielsweise gegen Karies vorbeugen sollen, am besten Rot unterlegt bewerben. 

Rot ist, was die eigenen Wirkungsweisen angeht, eine vielfältige und ambivalente "Superfarbe". Sie fungiert als Signalfarbe im Straßenverkehr und suggeriert Gefahr. Gleichzeitig ist die Farbe in der Natur ein Symbol für Fortpflanzung. Schimpansen und Makakenweibchen deuten mit prallrot gefärbten Genitalien ihre Paarungslust an. Außerdem hat die Farbe einen nachweisbaren Einfluss auf den menschlichen Körper. Sie kann Puls und Blutdruck erhöhen, treibt dazu den Stoffwechsel an, wie Nancy Kwallek von der University Texas in Austin untersuchte. Außerdem schürt die Farbe den Appetit, weshalb bekanntlich Fast-Food-Ketten besonders auf rötliche Farbimpulse setzen. 

Rote Farbakzente können sogar die Produktivität fördern. So ermittelten die Forscher der Universität British Columbia in Experimenten, dass besonders Verkäufer und Vertriebler von der Farbe animiert werden. Außerdem hilft die Farbe bei Tätigkeiten wie dem Korrekturlesen oder dem Abrufen von Informationen aus dem Gedächtnis. Die Experten von Space Refinery empfehlen rote Töne vor allem für Kantinen, Flure und Büros, in denen Angestellte auch spät abends arbeiten.

Die Farbe Rot hat beinahe Superkräfte. Trotzdem sollten Raumgestalter sie in Maßen einsetzen.

Grün - Entspannung für den Kopf

Grün ist die Farbe der Natur und sogar ein Quell des Lebens. Schließlich gäbe es ohne das Chlorophyll, dem grünen Farbstoff der Pflanzen, keine Fotosynthese und damit keinen frischen Sauerstoff auf diesen Planeten.

In den Büros kann Grün aber zu deutlich mehr als nur zum nächsten Waldspaziergang inspirieren. Grüne Farbakzente, das ist seit Jahren ein Konsens in der Farbpsychologie, beruhigen die Menschen und sorgen für ein entspannteres Gefühl. Vor US-amerikanischen Fernsehshows warten die Gäste in sogenannten “Green Rooms”. Diese sollen die Nervosität der Teilnehmer lindern.

Auch hat die Farbe Grün einen messbaren Einfluss auf die Leistungsfähigkeiten von Menschen. Die US-amerikanische Autorin Kendra Cherry, die als studierte Psychologin mit Studenten zusammen arbeitet, schreibt beispielsweise über den Einfluss der Farbe bei der Informationsverarbeitung im menschlichen Hirn. So konnten Studenten, die eine durchsichtige grüne Folie zum Lesen auf Bücherseiten legten, sowohl ihre Lesegeschwindigkeit als auch die Aufnahmequalität der Informationen verbessern. 

Die Farbe Grün ist ein Alleskönner in den Büros. So empfehlen die Designer von Space Refinery grüne Akzente sowohl im direkten Umfeld der Arbeitsplätze als auch in den sogenannten Relaxingareas.

Grüner geht es nicht: Wände aus Pflanzen liegen im Trend.