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Was Führungskräfte mit ihren Büros kommunizieren

Annette Hoerauf arbeitet als anerkannte Raumpsychologin und Bürogestalterin.

Räume sprechen ihre eigene Sprache, und manchmal wissen Unternehmer gar nicht, was sie mit ihnen alles sagen. Ein Text von Raumpsychologin Annette Hoerauf über respektvolle und wenig wertschätzende Statements in Büros.

 von Annette Hoerauf

Neulich habe ich in einem Wellnesshotel nicht schlecht gestaunt. Ich ging durch die Lobby an die Rezeption. Dort stand ein Tresen, ähnlich kühl, wie ich ihn mir auf einer Polizeiwache vorstelle. Mächtig in der Erscheinung, hoch gebaut, allgemein wenig einladend. Von den Rezeptionisten sah ich nur ein bisschen Gesicht. Es gab keine Ablagefläche für die Handtasche oder das Gepäck. Mit Wellness, also Wohlfühlen, hatte dieser Eindruck wenig zu tun. Dabei bestimmt diese erste Wahrnehmung, wie eine Umgebung langfristig auf uns wirkt.

Andere Wellnesshotels machen es professioneller. Dort wird der eincheckende Gast bei Ankunft auf eine gemütliche Sofaecke gebeten. Die Rezeptionistin fläzt sich mit einem Tablet dazu und der Check-in erfolgt in einer bequemen Umgebung. Der erste Eindruck ist ein komplett anderer, und er färbt alle weiteren Empfindungen an diesem Ort positiv.

Räume sprechen eine Sprache

Nicht falsch verstehen: Auch ein kühler, aufgeräumter Tresen hat seine Daseinsberechtigung. In einer Polizeistation. Oder in einem Businesshotel. Dort, wo die gehetzten Gäste Wert auf Schnelligkeit legen. Das besagte Wellnesshotel verkannte hingegen seine Zielgruppe, sprach Bequemlichkeits- und Wärmesuchende mit Hektik an.

Ich steige aus einem bestimmten Grund mit dieser sehr persönlichen Empfindung ein. Die Fehler, die manche im Gastgewerbe machen, passieren auch in Büros. Unternehmer drücken mit ihrer Einrichtung oder ihren Raumkonzepten das Gegenteil von Wertschätzung aus, weil sie mit ihren Möbeln oder dem Design negativ kommunizieren. Oder weil sie gar nicht wissen, dass Räume ihre eigene Sprache sprechen.

Im Foyer: Zeigen, was man kann

Beginnen wir unseren raumpsychologischen Rundgang am gleichen Ort wie im Hotel: im Foyer. Ähnlich wie die Hotellobby wird dieser Bereich eines Bürogebäudes gerne unterschätzt. Doch die Statements, die Unternehmen hier abgeben, kommen bei vielen relevanten Zielgruppen an. Bei den Mitarbeitern, den Kunden, den Partnern und natürlich auch bei Bewerbern. Der häufigste Fehler: Unternehmen machen sich zu klein und zeigen im Eingangsbereich nicht, wer sie sind. Sie verstecken sich.

Zum Beispiel ist der Firmenslogan oder das Logo im Eingangsbereich oft nicht oder nur kaum präsent. Es fehlen identitätsstiftende Merkmale wie die von der Firma entwickelte Produkte. Oder aber ein Abriss aus einer langen Unternehmensgeschichte. Hier gilt es nicht zu protzen, aber zu zeigen, was ein Unternehmen kann, wie es als Organisation wachsen konnte. Das überzeugt Kunden. Und noch wichtiger: Mitarbeiter haben jeden Tag die Mission ihres Arbeitgebers vor Augen. Das committet die Angestellten mit den Zielen. Ein Foyer, das die Werte, Qualität und Ziele einer Unternehmung spiegelt, nährt Identifikation und Selbstbewusstsein. Auch bei Mitarbeitern, die seit 30 Jahren in diesem Komplex arbeiten.

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Im Foyer können Unternehmen ihre Kunden, Partner und Bewerber überzeugen.

Die Flure: unterschätzte Lautsprecher

Noch unterschätzter als Eingangsbereiche sind die Flure. Manche Menschen sprechen ihnen sogar das Prädikat "Raum" ab. Wir diskutieren viel über Meetingräume, Großraumbüros, Open Space – aber über Flure reden wir kaum. Dabei sind sie die Lebensader eines Büros. Sie verbinden alle relevanten Bereiche einer Arbeitswelt. Hier begegnen sich Kollegen über Abteilungsgrenzen hinweg. In Fluren können Konflikte entstehen oder verhindert werden.

Einfaches Beispiel: Sind Flure zu eng und kommen sich zwei Kollegen entgegen, müssen sich diese bewusst ausweichen, um Kollisionen zu vermeiden. Das Wegdrehen ist eine Form der Interaktion. Flure müssen also zwingend weitläufig sein, und bestenfalls breiter als die Norm. Dann drohen hier keine Zusammentreffen, sondern es entstehen Begegnungen. Wenn die Flure zusätzlich in der Firmen-ID gestaltet sind und eine Geschichte erzählen, werden sie zu einem lebendigen Erlebnis.

Für Unternehmen habe ich fernab dieser Grundlage noch einen weiteren Tipp: Verwendet Wegweiser und Namensschilder! Es klingt zunächst absurd, aber die meisten von uns werden folgende Situation kennen und das Empfinden nachvollziehen können: Wir befinden uns am Flughafen. Auf unserer Boardingkarte steht "Gate B17". Die Information kennen wir auswendig. Aber wir linsen immer wieder auf das Ticket. Wenn wir am Flughafen ankommen, wenn wir das Gepäck aufgeben, wenn wir einen Kaffee trinken gehen. Obwohl wir wissen, dass sich nichts an der Beschriftung geändert haben kann, schauen wir immer wieder drauf. Der Mensch braucht Orientierungspunkte. Selbst wenn wir 30 Jahre in einem Unternehmen tätig sind, genau wissen, wo alles ist, stimulieren Wegweiser unser Gehirn positiv. Orientierung stiftet Sicherheit. Sogar dann, wenn wir sie nur unterschwellig wahrnehmen. Und Sicherheit ist eine Grundbedingung für das Wohlfühlen.

Das Büro: ein bisschen Mitbestimmung

Wenn wir uns in den Fluren geborgen fühlen, ist die Chance groß, dass sich dieser Eindruck im eigenen Büro fortsetzt. Das ist wichtig. Wir verbringen bis zu 40 Stunden pro Woche an diesem Ort. Beinahe so viel wie zu Hause.

Das Wichtigste, das Unternehmen begreifen müssen, um mit Einrichtung und Design Wertschätzung zu kommunizieren, ist die Feststellung, dass in einer Arbeitswelt verschiedenste Menschentypen tätig sind. Introvertierte und Extrovertierte, kreativ und analytisch denkende, Lautsprecher und stille Kollegen. In der Regel verrät das Betätigungsfeld eines Menschen viel über seine Charaktereigenschaften. Ein Vertriebler ist bestenfalls eher kommunikationsfreudig. Ein Buchhalter konzentriert und penibel bei der Sache. Ein Kreativer braucht Einflüsse von außen. Unternehmen müssen daher wissen, dass es wenig Sinn macht, ein Corporate-Design durch alle Büros durchzupressen. Prachtvolle Pop-up-Kunst im Buchhalter-Office – in den meisten Fällen stößt das nicht auf Gegenliebe. Im Gegenteil: Es nimmt die Ansprüche der Menschen an ein Büro nicht ernst. Wer Mitarbeiter wertschätzen möchte, der erkennt grundlegende Charakterzüge und versucht diese möglichst positiv anzusprechen.

Der zweite, noch viel größere Hebel: Mitbestimmung. Die Zustimmung zu einem Projekt wächst nachweislich, wenn jemand seinen Teil zum Gelingen beitragen konnte. Oder aber gewisse Bereiche, die einem selbst betreffen, mitgestalten durfte. Ein einfaches Beispiel: Bürostühle.

Wenn ein Unternehmen für alle Mitarbeiter neue Stühle ordert, dann ist das eine große finanzielle Investition. Und genauso eine Chance. Es gibt viele Stuhltypen, jedes Modell sitzt sich anders. Wenn Mitarbeiter ihre bevorzugte Variante testen und auswählen dürfen (gute Hersteller ermöglichen das) und dazu jedem gewährt wird, die Farbe für das Sitzpolster eigenverantwortlich auszusuchen, erzeugt das ein Gefühl von Mitbestimmung. Die Wertschätzung gegenüber dem Arbeitsplatz steigt enorm. Das motiviert und bindet Menschen. Sie fühlen sich beachtet und wertvoll.

Das perfekte Management-Büro bietet bequeme Sitzgelegenheiten und eine Prise Persönlichkeit.

Das Chefbüro: der Spagat zwischen Abheben und Untergehen

Der Gang ins Chefbüro hat nicht nur für Angestellte seine Tücken. Auch Chefs können sich mit ihrer Einrichtung diskreditieren, womöglich sogar blamieren. Das perfekte Beispiel erlebte ich vor einigen Jahren. Ich ging in einen Raum und wurde von visuellen Eindrücken beinahe erschlagen.

Im Büro wimmelte es von Designmöbeln. Es quoll fast über. Lampen, Tisch, Sessel, alles ein wildes Potpourri. Ein bisschen Karneval der Furniture.  Alle Möbel, die sich der Unternehmer jemals gewünscht hatte, standen in diesem Raum. Er war der festen Überzeugung, dass dieses Büro seinen famosen Geschmack unterstreichen würde. Leider vermittelte er eine ganz andere Botschaft: Distanz. Die übrigen Büros waren normal eingerichtet, schön, klassisch. Aber das Besondere war einzig dem Chef vorbehalten. Dieses Büro sprach von oben herab mit seinen Gästen. Und es war komplett unpersönlich, weil es allein aus optischen Oberflächlichkeiten bestand.

Dabei können Führungskräfte auch zu bescheiden wirken. Manche Unternehmer betonen in jeder Umbauphase, dass sie ihre eigenen Möbel behalten wollen. Aus Gewohnheit, manchmal um zu sparen. Das kann Mitarbeiter verunsichern. Die Freude über das neu eingerichtete Büro und die empfundene Wertschätzung sind schnell dahin.

Ein Tipp für jede Führungskraft: Zeigt mehr Persönlichkeit in euren Arbeitsgemächern! Ein Schlagzeug, eine Golfmatte oder ein Fotokalender mit Motiven aus dem eigenen Garten stiften emotionale Nähe. Sie zeigen eine Leidenschaft. Mitarbeiter können sich damit nicht nur identifizieren, sie finden Anknüpfungspunkte für den Small Talk. Und sie spüren generell Offenheit, Transparenz, der Chef verbirgt sich nicht, sondern gewährt Persönlichkeit. Kombiniert eine Führungskraft diesen persönlichen Einblick mit einer Sofaecke samt Tisch, kommt es der perfekten Ansprache sehr nahe. Denn während Hocker oder einfache Stühle neben dem Chefthron schnell despektierlich wirken, lädt eine bequeme Garnitur zum Reden ein. Der Chef zeigt damit seine Gastfreundschaft und Gesprächsbereitschaft.

Und welches Unternehmen will das nicht sein – einladend und kommunikativ?

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